Holz, Öl, Lithium – Menschen…

Zu viel von allem – ein Denkanstoß zum hohen Ressourcenverbrauch.


Wir brauchen zuviel von allem. Das ist gut erforscht und belegt und für jeden, der rechnen kann, leicht nachvollziehbar.

Zum Beispiel Holz. Forschende der Universität Kassel haben das gerade im Auftrag des WWF (ja, die Umweltorganisation) berechnet. Demnach verbraucht der Deutsche im Durchschnitt 1,2 Kubikmeter pro Jahr, umweltverträglich wäre ungefähr ein Drittel davon. Denn um Biodiversität und Klima zu schützen, dürfe man weltweit jährlich höchstens 4,2 Mrd. Kubikmeter einschlagen, bei einem Verbrauch wie dem hierzulande bräuchten wir weltweit jährlich 12,8 Mrd. Kubikmeter1.

Oder Öl. Die globale Fördermenge wird 2022 bei rund 36,2 Mrd. Barrel liegen2, jedem Mensch3 stehen also 4,5 Fässchen zu.
Die Deutschen genehmigen sich 9,8 Fässchen im Jahr4.

Oder Lithium. Ende 2021 gab es weltweit 17,4 Mio. Elektroautos5, das sind bei einem Bestand an Fahrzeugen von 1,25 Mrd.6 zwar nur 1,4 Prozent, die Zahl der E-Fahrzeuge wächst jedoch, dank üppiger Subventionen, ziemlich schnell.
Die Rechnung, wieviel Lithium auf jede Erdenbürgerin und jeden Erdenbürger entfällt ist etwas komplex, da dieser Rohstoff ja nicht nur in Autobatterien zum Einsatz kommt. Doch Autobatterien sind besonders groß und schwer, im Vergleich zu, sagen wir einem Akku-Schrauber. Da außerdem die Mehrzahl der Elektroautos in den entwickelten Ländern fährt, also auch in Deutschland, ist anzunehmen, dass wir uns vom Lithiumkuchen ebenfalls ein besonders großes Stück nehmen.

Und Menschen? Menschen als „Ressource“ zu bezeichnen ist zwar blöd, in der US-amerikanischen Managementterminologe aber eingeführt. Was wir im Deutschen als Personalwirtschaft oder Humankapital bezeichnen heißt dort „Human Resources“.

Nun brauchen wir in Deutschland allerdings nicht so zu tun, als ob wir Menschen nicht auch als Ressource sehen würden, die man sich bei Bedarf überall auf der Welt beschaffen könnte. Holz aus Polen, Öl aus Saudi-Arabien, Lithium aus Bolivien, Menschen aus… Mexiko, den Philippinen?7

Und der Bedarf scheint riesig zu sein. Und das auch noch ganz plötzlich. Anders ist das Rumgeheul über den Fachkräftemangel nicht zu erklären. „Händeringend“ suchen sie überall nach Leuten, wobei dieses scheußliche Wort immer nur in diesem Zusammenhang vorkommt und ja nichts anders bedeutet, als rumheulen.

Dabei ist doch seit Jahrzehnten glasklar, dass es darauf hinausläuft. 1964 kamen in Deutschland 1,4 Millionen Kinder zur Welt, 2004 nur noch die Hälfte. Wenn also 100 Boomer in Rente gehen, sind nur noch 50 Leute da, die deren Jobs übernehmen. Was ist daran schwierig? Leiden die Boomer auch noch unter kollektiver Rechenschwäche?

Jetzt aber zurück zu den Rohstoffen. Es scheint hier ein bisschen Common Sense zu sein, Fachkräfte würden in anderen Ländern auf den Bäumen wachsen oder seien mittels Fracking aus dem Boden zu pressen.

Irrtum! Schon mal was Brain Drain gehört? Noch so ein Fachbegriff, muss aber sein. Brain Drain ist laut Google8 die „Abwanderung … von hochqualifizierten Arbeitskräften…“, achtung, jetzt kommt’s, „wodurch dem Abwanderungsland Arbeitskräfte verloren gehen“.

Daher sollten wir es einfach bleiben lassen, Fachkräfte in anderen Ländern anwerben zu wollen9. Denn erstens brauchen die sie nötiger als wir, schließlich ist Deutschland schon eines der am höchsten entwickelten Länder der Welt10. Zweitens ist Migration auch für Zuwanderländer nicht nur ein Gewinn. Ich behaupte, die öko-soziale Transformation – die wir dringend brauchen – ist in einem Einwanderungsland schwer realsierbar. Drittens müssen andere Länder mit einem weniger entwickelten Bildungssystem größere Anstrengungen unternehmen, um Fachkräfte auszubilden. Und das tun sie, um selbst voranzukommen und nicht um unsere Lücken zu schließen.

Dafür hatten wir Zeit genug. Ich bin auch mal gespannt, ob jemand darauf kommt, dass wir nicht zu wenige Fachkräfte haben, sondern zu viele Arbeitsplätze. Nachdem wir jahrzehntelang auf Wachstum und Beschäftigung setzten, koste es was es wolle, und dabei irre Schulden anhäuften und den Planeten quasi ruinierten.

Jetzt müssen wir halt mal mit weniger über die Runden kommen. Weniger von allem. Was Human Resources angeht, sollten wir stärker auf die Beschäftigung von Frauen setzen, auf die Qualifizierung aller Schulabgänger und auf die längere Beschäftigung von Älteren. So sie können und wollen11.

Fachkräfte im Ausland12 holen? Ein Holzweg!

 

Aktualisierung 3.02.2023:
Als der bayerische Ministerpräsident Markus Söder erwog, Lehrkräfte aus anderen Bundesländern abzuwerben, waren Empörung und Geschrei groß – das sei gegen die Spielregeln.
Aber im Ausland Fachkräfte abwerben – da ist nichts dabei!
https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/lehrermangel-soeder-empoert-andere-bundeslaender-mit-abwerbeplaenen-fuer-lehrer-id65256351.html

 

 

Foto: Fachkräfte für die Energieversorgung / © josupewo / pixelio.de

1 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.08.2022: Zwischen Nachhaltigkeit und Verschwendung
und
Waldfreund.in, 8/2022: Auf dem Wege zum entwaldeten Planeten
(mit den Links zur Studie der Uni Kassel)
https://waldfreund.in/entwaldeter-planet/

2 Globale Ölfördermenge (Quelle: IBISWorld)
100,6 Mio. Barrel pro Tag x 360 = 36,216 Mrd. Barrel
https://www.ibisworld.com/de/bed/globale-olfordermenge/444/

3 Wikipedia-Eintrag „Weltbevölkerung“
abgerufen am 1.09.2022: im Januar 2022 rund 7,95 Mrd. Menschen
https://de.wikipedia.org/wiki/Weltbev%C3%B6lkerung

4 Deutschland braucht 2,29 Mio. Barrel pro Tag
knoema/Weltdatenatlas
https://knoema.de/atlas/Deutschland/topics/Energie/%C3%96l/Erd%C3%B6lverbrauch
2,29 x 360 = 824 Mio. Barrel bei einer Bevölkerung von 83,7 Mio.
Amtliche Bevölkerungszahl:
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/_inhalt.html

824 : 83,7 = 9,8 Barrel pro Kopf pro Jahr in Deutschland

5 Statista, 6/2022: Anzahl von Elektroautos weltweit
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/168350/umfrage/bestandsentwicklung-von-elektrofahrzeugen/

6 Umweltbundesamt: weltweiter Autobestand
https://www.umweltbundesamt.de/bild/weltweiter-autobestand

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.09.2022: Schneller schlau – wie das Elektroauto die Autoindustrie auf den Kopf stellt
Hier gibt Tobias Piller den Bestand mit 1,255 Mrd. an, den E-Auto-Bestand mit 11,3 Mio., was einem Anteil von 0,9 Prozent entspricht.

7 Bundesministerium für Gesundheit
9/2019: „Spahn wirbt um mexikanische Pflegekräfte“
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2019/reise-nach-mexiko-und-in-die-usa.html
8/2019: „Werbetour auf den Philippinen“
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2019/pflegekraefte-philippinen.html

8 Googlesuche „Brain Drain“

9 Wie stünde Deutschland eigentlich heute da, wenn Käpsele wie Gottlieb Daimler, Werner von Siemens, Artur Fischer oder Hasso Plattner in ihren jungen Jahren abgewandert wären?

10 Kürzlich kam im Deutschlandfunk ein Beitrag über die Weiterbildung von Ärzten zu „Landärzten“ in Schleswig-Holstein. Als Beispiel diente eine Person, die ihre medizinische Ausbildung in Indien gemacht hat.
Damit klar ist: Würde sich diese Person in unserer Gegend niederlassen, wäre ich einer der ersten Patienten.

Aber: Wichtig ist nicht nur die persönliche Sicht, sondern auch die Gesamtsicht. Und da ist es nun mal so, dass bei Ärztinnen und Ärzten in Indien eher größerer „Fachkräftemangel“ herrscht als bei uns. In Deutschland kommen 44 Ärzte pro 10.000 Einwohner, in Indien 7.
Quelle: https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/Tabellen/Basistabelle_Aerzte.html

Deutschlandfunk, Deutschland heute, 13.09.2022, zum Nachhören:
https://www.deutschlandfunk.de/kampf-dem-landarztmangel-weiterbildungsprojekt-zeigt-erfolge-dlf-5ef6157a-100.html

11 Deswegen ist das Zuverdienen bei Frührentnern bald unbegrenzt möglich
Südwest Presse, 1.09.2022: Frührentner – Zuverdienst bald unbegrenzt

12 Die EU ausgenommen. Wobei Sahra Wagenknecht in ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ an einem Beispiel aus Rumänien (wenn ich mich recht erinnere) zeigt, dass Migration nicht immer für alle gut ist. Dort sind viele Regionen in Stagnation verfallen, weil die meisten Arbeitsfähigen abgewandert sind.