Mehr, mehr, mehr… ist die Kurzformel
der Marktwirtschaft. Nicht überall ist
diese Formel anwendbar.
Bei Milch zum Beispiel gar nicht,
wie es scheint.
Vielleicht ist Milch „systemrelevant“, vielleicht ist gar die ganze Kuh „systemrelevant“.
Historisch betrachtet ist das sicher.
Was haben wir uns vor Jahren die Köpfe darüber zerbrochen, was „systemrelevant“ sei und
sind dabei ausgerechnet auf die Banken gekommen. An die Landwirtschaft, die ich weit oben auf die Relevanzliste setze, denken erst mal nur wenige.
Da muss es erst mal richtig krachen. Dafür sind die französischen Bauern eher bekannt als die deutschen, dennoch machen auch sie jetzt mit großen Demonstrationen auf ihre Not aufmerksam.
Ursache dieser Not ist ein eklatantes Marktversagen. Es gibt zu viel (konventionelle, nicht Bio-) Milch und wenn dann ein wichtiger Markt, wie in diesem Fall Russland, wegbricht, ist die Milch am Dampfen. Kuhwarm.
Warum die Marktapostel in dieser Lage predigen, es müsse noch mehr Milch her, ist mir ein Rätsel. Auch ein Rätsel ist mir, warum das ausgerechnet Bauern glauben und nun noch größere Ställe bauen wollen, mit noch mehr Kühen, noch mehr Melkrobotern, noch mehr Milch und noch mehr Schulden.
Sicher gibt es die betriebswirtschaftlichen Rechenkünste, die bei höherem Output auf geringere Stückkosten kommen. Aber selbst wenn die Bauern jetzt alle mit Megaställen beim jetzigen Tiefpreis doch noch Gewinne machen, würde das die Angebotsmenge weiter vergrößern und den Preis wieder tiefer sinken lassen.
Nein, dieses Marktversagen könnte der Anlass sein, neu zu denken. Es gibt im Leben gewisse Bereiche, wo der Markt nicht die Lösung liefert, die aber zur Daseinsvorsorge wichtig sind. Die Milchwirtschaft ist vielleicht so ein Bereich. Vielleicht nicht nur die Milch, vielleicht auch alle von Bauern erzeugten Grundnahrungsmittel und vor allem auch: das Trinkwasser.
Dem Wasser hatte kürzlich das Nachrichtenmagazin Spiegel eine Titelstory gewidmet, worin es hieß: „Wohl nirgendwo ist der Widerstand der Menschen gegen eine Privatisierung so vehement und so emotional wie beim Wasser. Das elementarste aller Güter, so das allgemeine Empfinden, darf nicht den einzig auf Gewinn orientierten Kräften des Marktes überlassen werden.“
Ebenso elementar wie das Wasser sind Brot, Obst und Gemüse, Fleisch und eben die Milch. Sie dürfen nicht den ruinösen Marktkräften überlassen werden.
Möglicherweise sind Milchquoten doch die bessere Lösung. Möglicherweise sind öffentliche Betriebe die bessere Lösung. Man muss ja nicht alles gleich verstaatlichen. Auch bei der Wasserversorgung existieren öffentliche und private Betriebe nebeneinander.
Es wäre auch die Gelegenheit, die krassen Fehlentwicklungen privater Großstallwirtschaft zu korrigieren. Zum Beispiel durch eine langsame Umstellung auf ökologische Milchviehhaltung, durch ein grundsätzliches Verbot „artungerechter“ Fütterung zum Beispiel mit Soja und durch den Verzicht auf „Turbokühe“.
Auf jeden Fall müssen wir uns hier dringend auf die Suche nach einer besseren Lösung als „mehr, mehr, mehr“ machen.