Der Handlanger, also ein Mensch, der einfache, schnell
anzulernende Tätigkeiten verrichtet, ist quasi tot.
Zumindest in dieser Wirtschaft nicht mehr gefragt
und fast nicht mehr anzutreffen.
Das wird sich rächen.
Menschen haben in der Wirtschaft eine wichtige Rolle gespielt. Das tun sie immer noch.
Oben.
Unten und ganz unten – weit und breit fast niemand mehr.
Noch bis vor kurzem, sagen wir bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, fanden unten Heerscharen von Arbeitern, angelernten und ungelernten, Dienstboten und Handlangern (im ursprünglichen Sinne als ungelernte Hilfskraft) ihr Auskommen.
Man nennt sie auch heute noch „Tellerwäscher“.
Nach und nach haben Automaten, nicht nur Spülmaschinen, ihren Platz eingenommen.
Handlanger, einfache, angelernte Arbeiter, Tellerwäscher und Hilfskräfte, Jobber sind nahezu ausgestorben.
Der Begriff „Tellerwäscher“ spukt zwar heute noch in den Köpfen herum, weil er einmal als Startpunkt in eine bessere Zukunft galt: „Vom Tellerwäscher zum Millionär“. Die Realität ist heute, dass die Aufstiegschancen für „Tellerwäscher“ (gerade in den USA) gleich Null sind, die Aussicht, überhaupt einen Job als „Tellerwäscher“ zu bekommen, ebenso.
Beispiel 1, die Automobilindustrie. Angesichts der Flüchtlingsströme, die uns dieser Tage erreichen, erinnern sich viele an die Ströme von sogenannten „Gastarbeitern“, welche, grob gesagt, zwischen 1960 und 1970 Deutschland erreicht haben. Die meisten von ihnen hat die Industrie integriert, durch Arbeit, vor allem in der Automobilbranche.
Und zwar auch die, die nicht viel konnten, also im heutigen Sinne „gering qualifiziert“ waren, die keine Ausbildung hatten, ja nicht einmal Deutsch beherrschten. Egal. Wichtig war, dass sie zupacken konnten. Das konnten sie und dafür gab es ordentliche Löhne. Selbst für ganz einfache Dienstleistungen wie das Vesperholen gab es Leute, die „beim Daimler“ in Untertürkheim arbeiteten und nicht für Caterer.
Vorbei. Auch das Autobauen ist eine Tätigkeit für Highpotentials geworden. Als BMW und Porsche ihre neuen Werke in Ostdeutschland gebaut haben und „Arbeiter“ suchten, war zweierlei bemerkenswert: zum einen die unglaubliche Zahl von Bewerbungen, zum anderen die Anforderungen an die Qualifikation der künftigen Mitarbeiter. Genommen wurden nur sehr gute Facharbeiter, also mit abgeschlossener Berufsausbildung. Das mag einerseits der Tätigkeit geschuldet sein, andererseits konnte man sich die Leute ja aussuchen.
Heute fehlt die integrierende Kraft der Industrie.
Und genau das wird sich rächen.
Viele der Männer und Frauen, die dieser Tage zu uns kommen suchen nicht nur Schutz.
Sie suchen Arbeit.
Also sollten wir auch nicht so tun, als ob es arme Asylanten wären, die nur darüber froh sein sollen, dass sie in Sicherheit sind.
Sie brauchen Arbeit.
Wir brauchen Arbeit.
Wir brauchen Arbeitsplätze.
Wir brauchen Arbeitsplätze für einfache Verrichtungen.
Wir haben nicht die Zeit, auch nur einen Teil der Menschen auf das Bildungsniveau eines gehobenen Facharbeiters zu bringen.
Denn die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt sei ein langwieriges Unterfangen, schreibt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Erst 15 Jahre nach dem Zuzug ließen sich keine Unterschiede zu anderen Gruppen mehr feststellen.
Außerdem: Für die Zuwanderer gibt es immer noch reichlich einheimische Konkurrenz. Als Opel das Werk in Bochum schloss, fanden sich 3300 Leute auf der Straße bzw. in einer Transfergesellschaft wieder. Von denen haben knapp ein Jahr später nur 250 wieder eine Arbeit, wobei der Begriff „Arbeit“ sehr ausgeweitet wurde.
Manche meinen, dass die Leute noch zu viel verdienen und daher nicht bereit seien, eine weniger gut bezahlte Tätigkeit anzunehmen. Das ist in einer Wirtschaftsordnung, die sich völlig dem Wachstum unterworfen hat, ein etwas exotisches Argument. Denn auch der Arbeiter ist (mit gutem Recht) bestrebt, mehr zu wollen und seinen Lohn wachsen zu sehen.
Beispiel 2, Bahn und Post. Ohne diesen dynamischen, innovativen und an die Börse strebenden High-Service-Konzernen zu nahe treten zu wollen: Sie waren früher so ein kleines Refugium für diejenigen, die es sonst schwer hatten, einen Arbeitsplatz zu finden. Aber die Bundesbahn (bis 1993) und die Bundespost waren ja Staatsbetriebe, denen Fürsorge vielleicht wichtiger war als Rendite.
Hier fanden viele einfache Leute einen sicheren Arbeitsplatz. Die Bundesbahn und die Reichsbahn der DDR hatten zusammen rund 600.000 Beschäftigte, die Deutsche Bahn AG heute nur rund die Hälfte, bei enorm gesteigerter Transportleistung.
Die Spur der Vernichtung einfacher Arbeiten finden sich an allen Bahnhöfen: Fahrkartenautomaten. Wobei mittlerweile auch der Automat seine Arbeit verliert, weil das Online-Ticket nun wirklich eine angenehme Art der Fahrkartenbeschaffung ist.
Allerdings hat der Verfasser noch vor kurzem erlebt, dass auch Menschen Fahrkarten verkaufen. Als eine Großveranstaltung der Messe Nürnberg zu Ende ging, strömten die Leute zum Bahnhof, wo sie von älteren, uniformierten Herren Fahrkarten erstehen konnten. Die Bediensteten der Verkehrsbetriebe waren auch tatsächlich noch mit einem sogenannten Galoppwechsler ausgestattet, ein Münzmagazin, das es erlaubt, Wechselgeld schnell abzuzählen (siehe Abbildung). Hauptsächlich ist es heute ein Museumsgegenstand.
Übrigens waren die Nürnberger Verkehrsbetriebe die ersten, die seit 2008 dauerhaft eine fahrerlose U-Bahn einsetzen.
Das zeigt, dass auch die Dienstleistungsbranche kaum in der Lage ist, eine größere Zahl von Arbeitssuchenden aufzunehmen. Zwar florierten beispielsweise Paketdienste und der gesamte Logistikbereich, allerdings ist hier der Lohndruck auch enorm, bis der Mindestlohn für Erleichterung (bei den Arbeitnehmern) sorgte.
Ein interessanter Gedanke ist, den Mindestlohn von derzeit 8,50 Euro für Flüchtlinge zu senken. Vielleicht finden dann mehr Menschen schnell Arbeit, wobei ja auch 8,50 Euro zumindest in den Metropolen kaum zum Leben reichen und eine Untergrenze dennoch festgelegt werden müsste, um Ausbeutung zu verhindern.
Noch ein kleiner Erinnerungsschnipsel aus dem Arbeitsleben des durchaus noch jungen Verfassers: Es gab bei dem Zeitungsverlag, bei dem er einmal angestellt war, tatsächlich noch einen Büroboten, einer von tausenden in deutschen Büros. Dieser nicht mehr so junge Mann trug Texte und Bilder durch das Redaktionsgebäude. Nach seiner Pensionierung wurde die Tätigkeit wahrscheinlich von der Rohrpost, dem Vorläufer der E-Mail :-), übernommen.
Beispiel 3, die Landwirtschaft. Der primäre Sektor ist das klassische Einsatzgebiet von angelernten Hilfskräften, weil es hier Saisonarbeit gibt, das heißt Erntezeit. Aber: Hier ist schon fast alles belegt (Marokkaner in den spanischen Tomatenfeldern, Polen und Rumänen in den deutschen Gurkenfeldern etc.) oder mechanisiert.
Und zwar gründlich mechanisiert. Kein anderer Sektor ist so von Maschinen durchdrungen wie die Landwirtschaft. Es gibt Mähdrescher mit einer Arbeitsbreite von 12,50 Metern, die in einer Stunde fünf Hektar Getreide schaffen. In nur zwei Generationen (also im Vergleich zu meinem Großvater, den ich ja gut kannte und wusste wie er arbeitet) hat sich die Produktivität schätzungsweise vertausendfacht (bei Annahme, mein Opa schaffte in der Sommerhitze mit der Sense ein Ar pro Stunde, was aber nur die Hälfte der Arbeit ist, da die Halme noch gebunden und die Ähren gedroschen werden).
Wenn man Größe nicht nur positiv sehen will, kann man sich jetzt darüber beklagen, dass die Maschinenmonster weder auf Feldwege noch auf Straßen passen, den Ackerboden plattwalzen und so teuer sind, dass sie die Landwirte fast zwangsläufig ruinieren.
Und man kann sich darüber beklagen, dass sie dem Handlanger den Garaus gemacht haben, bis hin zum letzten Spargelstecher.
Man kann das positiv sehen. Die Menschen müssen nicht mehr schwere und schlecht bezahlte Tätigkeiten verrichten, sie können sich qualifizierteren Arbeiten zuwenden.
Der Punkt ist: Nicht alle wollen und können das. Das zeigt sich schon heute an der Arbeitslosenstatistik. Es gibt eben einen bestimmten Prozentsatz an Menschen, die nicht zu höherer Qualifikation berufen sind und die einfach nur einen Job wollen.
Dazu zählen wohl zunächst auch viele der jetzt eintreffenden Flüchtlinge.
Und das ist gut so. Ich will weder meinen Müll entsorgen, noch meine Erdbeeren selber pflücken.
Ich will mich auch nicht zum Bauexperten fortbilden. Wenn ich auf einer Baustelle bin, freue ich mich darüber, wenn mir jemand sagt was ich tun kann. Hier bin ich dann gerne der Handlanger.