Zum Wesen des Brokkoli gehört es, dass zwischen knackig-grün und labber-gelb nur wenige Stunden liegen können. Dumm gelaufen, wenn es die Stunden zwischen Online-Bestellung und Offline-Lieferung sind.
Brokkoli haben sie alle. Die ganz großen wie shop.rewe.de, edeka24.de, mytime.de oder der Deutsche-Post-DHL-Ableger allyouneedfresh.de, ebenso die vielen kleineren wie fruchtknall.de aus Stockach und viele andere.
Ein Ruck ging allerdings durch Deutschland, als Amazon die Bühne betrat. Wie immer. Amazon Fresh liefert zwar erst in Berlin und Potsdam sowie in Teilen Hamburgs, aber allen ist klar, dass das nur der Anfang sein kann.
Nachdem es inzwischen keinen Non-Food-Artikel mehr gibt, der nicht im Internet bestellbar ist, kommt der Online-Handel bei Lebensmitteln an. Sogar bei frischen Lebensmitteln wie Obst und Gemüse.
Gibt das den Einzelhändlern den Rest?
Gibt das den Innenstädten den Rest, wo sich kleinere Läden und Bauernmärkte noch gerade so halten können?
Denn das ist die reale Gefahr: Die Generation Bauernmarkt stirbt vielleicht aus, wenn prima Produkte mit dem Smartphone nur einen Klick entfernt sind und schnell geliefert werden (Alternative: Abhol-Box). So wie vor ihr die Generation Zeitung ausstirbt und die Generation Telefonzelle schon ausgestorben ist.
Die Gefahr für den kleineren Einzelhändler ist umso größer weil sich ein eigener Online-Shop nur selten rechnet.
Doch bei Licht betrachtet sind die Vorteile, die Online-Händler dem Kunden versprechen, gar nicht so groß. Vergessen wir, dass heute bestellt und morgen geliefert nicht wirklich schnell ist. Vergessen wir die Rabattaktionen für Neukunden. Bleibend ist vielleicht, dass der Onlinekunde Wege spart, die Ware nicht selbst tragen und nicht an der Kasse warten muss. Liefertermine sind meist individuell vereinbar.
Das war’s dann aber schon.
Die Nachteile wiegen schwerer. Nicht nur der Kunde trägt sie, auch die Umwelt. Das Liefern der Ware an jeden einzelnen Haushalt eine beträchtliche ökologische Last.
Eine entfesselte Logistikindustrie, so Roland Reuß in der FAZ1, nehme nicht nur dem Einzelhandel die Luft. Sie produziere Infrastruktur- und Umweltschäden und sei nur deswegen kein politisches Thema, weil die Bevölkerung mittlerweile selbst so korrumpiert ist, dass ihr außer der Pflege ihrer Bequemlichkeitsansprüche keine weiteren sinnstiftenden Staatsziele mehr einfallen. So passe es ins Bild, dass diese Tendenz zum maximalen Verschleiß der Infrastruktur bei sinnlosem Verblasen fossiler Energie und selbstverständlich beträchtlich Feinstaubproduktion nun auch auf den Lebensmittelhandel übergreife.
Schon klar, viel besser ist es nicht, wenn jeder allein im Auto zum Supermarkt fährt. Aber das ist ja gerade in Städten, wo sich Läden und Märkte konzentrieren, nicht der Fall.
Auch nicht gerade ein Ausbund an Umweltverträglichkeit: die Verpackung. Um es deutlich zu sagen – alles was im Handel sowieso schon verpackt ist, erhält zusätzlich noch einmal eine Transportverpackung. Vor allem Empfindliches wie Brokkoli, Zerbrechliches, Gekühltes und Tiefgekühltes. Der Küchentisch erinnert an einen Wertstoffhof, hieß es kürzlich in einer Sendung des Wissensmagazins Galileo2 über den Onlinekauf von Lebensmitteln. Zwar nehmen die Versender die Verpackung wieder zurück, was aber in den meisten Fällen heißt, dass nicht wir sie, sondern die sie in den Gelben Sack stecken.
Auf der anderen Seite müssen sich die Online-Lebensmittelhändler erst mal das Vertrauen aufbauen und dauerhaft – mit Mühe und Kosten – aufrechterhalten. Zwischen der Profi-Food-Fotografie, mit der man den Kunden lockt, und Lieferung eben solcher Ware liegen Welten, komplexe Logistik-Welten. Knackig-grün präsentiert ist nicht automatisch knackig-grün geliefert.
Das ist der große Vorteil des Einzelhandels und der Märkte: Die Ware ist verfügbar und fühlbar. Sehen, fühlen, riechen und schmecken gehören, wie auch Begegnung und Erlebnis, zum Einkauf – zum richtigen Einkauf. So kommt nur in den Korb was knackig-grün ist.
1 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.09.2017: „Umweltruin frei Haus“
2 zur Galileo-Sendung