Deutschland sucht den Supervogel

2021 – es ist das Rotkehlchen.


Das Rotkehlchen holt den Titel „Vogel des Jahres“ 2021. Mit seiner orangeroten Brust ist es ein schönes, eher auffälliges Tierchen – aber hinter dieser Auszeichnung steckt mehr. Der Titel „Vogel des Jahres“ soll immer mit einer Mahnung verbunden sein: Auf dieses Tier müssen wir besonders achtgeben, weil es selten geworden oder gar vom Aussterben bedroht ist. Die gewöhnliche Stadttaube, die in großer Zahl sämtliche Fußgängerzonen unsicher macht, taugt kaum als Kandidat für diese Vogelwahl.

Und doch ist die gewöhnliche Stadttaube auf die Liste der zehn Favoriten geraten.
Wie konnte das passieren?

2021, im 50. Jahr der Aktion, handelte es sich erstmals um eine „Volksvogelwahl“. Eine Art „Deutschland sucht den Superstar“, wobei auch der Star schon Vogel des Jahres gewesen ist (2018). Bisher hatten Ornithologen und andere Fachleute den Vogel des Jahres ausgewählt. Der Wanderfalke hat 1971 den Anfang gemacht. Diesmal haben die Initiatoren der Aktion, der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV), 307 Arten zur Vorauswahl ausgeschrieben, die zehn meistgenannten gefiederten Kandidaten auf eine Webseite1 gestellt und zur Abstimmung aufgerufen.

Davon waren nicht alle begeistert. Vogelfachleute sehen in der Platzierung der Stadttaube (Platz 5) ein Zeichen für die reduzierte Wahrnehmung der Natur durch Stadtmenschen2.

Dem stimme ich zu. Die Naturschutzverbände argumentieren ja immer, dass der Mensch nur schütze, was er kenne. Wenn sich die Kenntnis der Vogelwelt bei den Menschen, vornehmlich in der Stadt, auf Tauben reduziert, läuft etwas gewaltig schief. Der Vogel des Jahres sollte daher nicht bekannt und beliebt sein, wie die meisten der zehn Topplatzierten, sondern eher ein Unbekannter. Vor allem aber ein Gefährdeter. Denn der Sinn der ganzen Aktion ist es ja gerade auf schwindende Lebensräume, übermäßige Bejagung, Umweltverschmutzung und besonders gefährdete Arten hinzuweisen.

Dafür gibt es in der Vogelwelt leider viele Kandidaten. Mir fällt als erstes das Rebhuhn ein. Es ist extrem gefährdet. Seit 1980 ging der Bestand um 94 Prozent zurück. Wobei die guten Zeiten für diesen Vogel (1991 Vogel des Jahres3) bereits in den 1970er Jahren endeten, also schon 1980 nicht mehr viele Rebhühner da waren4. Heute sieht man diese kaum noch.

Umso verzweifelter erscheinen die Versuche, die Restbestände zu retten. Unser Landratsamt hat kürzlich einige Feldwege für Spaziergänger mit der Begründung gesperrt, man müsse Bodenbrüter (z. B. Rebhühner aber auch Feldlerchen) schützen. Als ob Spaziergänger die wichtigste Ursache für die nahende Ausrottung des Rebhuhns wären! Viel stärker machen sich die industrialisierte Landwirtschaft sowie durch Industrie,- Siedlungs- und Straßenbau immer kleiner werdende Lebensräume bemerkbar. Übrigens wird gerade unweit der gesperrten Feldwege eine vierspurige Straße durch ein Flusstal gebaut.

Auch rund um das Rotkehlchen5 steht nicht alles zum Besten – aber immerhin, gefährdet ist dieses Vögelchen vorerst nicht. Es liebt, was es mit dem Rebhuhn gemeinsam hat, Hecken. Ein bisschen Wildwuchs und „Unordnung“ im Garten, fördert jegliches Tierleben.

Bleibt die Frage, was eigentlich das Rotkehlchen selbst vom Titel „Vogel des Jahres“ hat. Durch die Medienpräsenz des Rotkehlchens fühlt sich vielleicht der eine oder andere Gartenfreund dazu angespornt, mehr „Natur“ zuzulassen und die Lebensbedingungen für Tiere aller Art im eigenen Garten zu verbessern.



1 Webseite „Vogel des Jahres“
www.vogeldesjahres.de

2 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.03.2021: Bitte nicht die Stadttaube!

3 Das Rebhuhn – Vogel des Jahres 1991
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/vogel-des-jahres/1991-rebhuhn/index.html

4 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.03.2021: Ab durch welche Hecke?

5 NABU: Das Rotkehlchen im Porträt
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/vogel-des-jahres/1992-rotkehlchen/02501.html

Das Foto steht zum kostenlosen Download auf Pixabay.