Bitter nur für die Bauern

Wir genießen den Kaffee, die Erzeuger nicht.


1991: Der Morgenkaffee in der Mensa gehört einfach dazu. Allerdings habe ich mich im Studium intensiver mit Kaffee befasst – und zwar mit Rohkaffee. Rohkaffee ist nach Erdöl das zweitwichtigste Handelsgut der Welt. Insofern hat es gut zum Thema „Rohstoffmärkte“ im Fach International Business1 gepasst. Vor 30 Jahren entstand meine Semesterarbeit2 über Kaffee.

Mein Fazit damals:
▪ bei den Kaffeebauern liegt einiges im Argen
▪ die Verantwortung liegt bei den Importeuren

Auf dem Markt für Rohkaffee, so schrieb ich seinerzeit, herrschen zwar die Gesetze der Marktwirtschaft – von Sozialer Marktwirtschaft kann jedoch keine Rede sein. Während sich entlang der Wertschöpfungskette Verbraucher, der Handel, Verarbeiter und andere eine goldene Nase verdienen, bleibt ganz unten nicht viel hängen. Denen ganz unten, den Kaffeebauern, ging es schon damals schlecht. Damit teilen sie das Los der Bäuerinnen und Bauern hierzulande.
Eine weitere Erkenntnis von damals: Die Verantwortung für den Preis, den die Bauern bekommen, liegt im wesentlichen bei den Verarbeitern, also einer Handvoll Konzerne, deren Marken wir alle kennen.

2021: Vor kurzem erschien im IfW Kiel eine Studie3 über den Internationalen Kaffeehandel.
Das Fazit heute:
▪ Kleinbauern in Anbauländern haben wenig Chancen, die Einkommen zu steigern
▪ die soziale Verantwortung haben die großen multinationalen Konzerne, die den Markt dominieren.

Zwischen meiner Studienarbeit im Sommersemester 1991 und der Studie des IfW Kiel liegen fast genau 30 Jahre. Und noch immer ist der Anteil der Bauern an der Wertschöpfung der Geringste. Wie die Autorinnen und Autoren der Studie schreiben, habe sich die Wertschöpfung sogar immer weiter zur Verarbeitung der Bohnen vor allem zur Veredelung zu Röstkaffee verschoben. Die Akteure in den Anbauländern4 hätten dagegen ihre Einkommen nur moderat steigern können.

Denn die Erzeugerpreise sind über die Jahrzehnte weitgehend gleich geblieben. In meine Semesterarbeit habe ich eine Grafik gesetzt, die den ICO5-Rohkaffeepreis in US-Cents pro Pfund (hier: lb ca. 453 Gramm) zeigt. Der Zehnjahresdurchschnitt von 1979 bis 1989 lag ganz grob bei 131. Wobei der Preis zwischen 170 und 91 schwankte.
Der Durchschnitt von 2009 bis 2019 lag nach meinen Berechnungen auf Basis der ICO-Statistik bei 135, mit einem Maximum von 210 (2011) und einem Minimum von 100 (2019)6. Derzeit, das heißt am 2. November 2021, hatten wir eher ein Hoch, nämlich 188 US-ct/lb.
Und wenn eine große deutsche Tagszeitung bei 122 im Juni 2021 schreibt „Teurer Kaffee“ zeigt das nur, dass man keine Ahnung hat.

Für die Kaffeetrinkerin und den Kaffeetrinker stellt sich das Ganze recht erfreulich dar. Seit ich Zahlen lesen kann, liegt der Preis pro Pfund (hier: 500 Gramm) bei rund zehn D-Mark bzw. fünf Euro. Der Preis kann bei Sonderangeboten sogar in Richtung drei Euro gehen, aber: Den Kaffeeverarbeitern ist es gelungen, ihr Produkt zum „Lifestyle-Luxusgut“ zu deklarieren und teilweise wesentlich höhere Preise dafür zu verlangen. Ebenso für Kaffeemaschinen. Ausgerechnet in den extrem umweltschädlichen Aluminiumkapseln geht der Preis inzwischen über 70 Euro pro Kilogramm.

Die Wirtschaftswissenschaftler aus Kiel stellen fest: „In den letzten 30 Jahren stiegen Preise und Absatzmengen von geröstetem Kaffee bzw. Kaffeeprodukten, wie etwa Kaffeekapseln, stark an.“

Doch die Erzeuger in den Exportländern haben davon nichts. Bei vielen Gütern ist es so, dass sich die Rohstofferzeuger in der Wertschöpfungskette weiter nach oben hangeln. Bei Kaffee würde das bedeuten, nicht Rohkaffee, grüne Bohnen in groben Säcken, sondern geröstete braune Kaffeebohnen in edlen Verpackungen anzubieten. Doch das funktioniert hier nur teilweise, schreiben die Kieler Forscher. Das hat zwei Gründe: Zum einen kennen nur die großen Konzerne die Vorlieben der Kaffeetrinker in den jeweiligen Absatzmärkten, zum anderen ist das Rösten und Verpacken kapitalintensiv. Außerdem verliert Röstkaffee schnell sein Aroma, ist also für längere Transportwege schlecht geeignet. Und selbst wenn in den Anbauländern Verarbeitungskapazitäten aufgebaut würden, sind diese meist weitgehend automatisiert und würden nur wenige Arbeitsplätze entstehen lassen.

Wohlstand und Wachstum kommen daher nicht zu den Erzeugern. Die Forschenden aus Kiel schreiben 2021 dazu: „Den wenigen westlichen Kaffee-Konzernen, die den Markt dominieren, kommt daher eine immense soziale Verantwortung gegenüber den Anbauländern zu und sie sollten etwa für einen nachhaltigen Kaffeeanbau, gute Arbeitsbedingungen, faire Bezahlung sowie einen verstärkten Einsatz von Technik und Maschinen einstehen.“

In meiner Studienarbeit habe ich 1991 geschrieben: „Die Verantwortung, etwas zu ändern liegt letztlich beim Importeur. Der könnte über den Preis ein gerechteres Einkommen für die Kaffeebauern anstreben“.

So wenig ändert sich in 30 Jahren.


1 Hochschule Pforzheim
https://businesspf.hs-pforzheim.de/studium/studierende/bachelor/bwl_international_business

2 „Kaffee – ein Weltwirtschaftsfaktor“ im Seminar Außenwirtschaft/Internationale Rohstoffmärkte, 12 Seiten, Mai 1991

3 „Fostering the Development of the Coffee Global Value Chain“, Kiel Institute for the World Economy (IfW), Nr. 2170, 51 Seiten, im Auftrag im Auftrag der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), Pressemitteilung von Januar 2021
https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/medieninformationen/2021/internationaler-kaffeehandel-multinationale-konzerne-stehen-in-der-verantwortung/

www.giz.de


4 Die zehn wichtigsten Kaffeeanbauländer
https://www.kaffeeroesterei-kirmse.de/kaffee-anbau

5 ICO International Coffee Organization
https://www.ico.org/

6 ICO-Statistiken
https://www.ico.org/coffee_prices.asp?section=Statistics


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