Ohne sie wären wir längst tot.
Wer je an einem Bahngleis stand, kennt vielleicht das Schild mit der Warnung: „Überschreiten der Gleise verboten“. Man kann sich darüber hinwegsetzen, ist aber unter Umständen teuer und nicht wiederholbar.
Oder dieses Schild „Holzfällung – Durchgang verboten“ – es zu ignorieren ist einfach lebensgefährlich.
Dennoch ist das Verbot neuerdings irgendwie verpönt. Im jüngsten Bundestagswahlkampf spielte das Wort „Verbotspartei“ eine große Rolle. Auf einem Wahlplakat in Mecklenburg-Vorpommern war zu lesen: „Chancen statt Verbote“. Was heißt das jetzt? Man möge dem Menschen die Chance geben, die Gleise bei Licht und Luft zu überqueren, statt ihn in die dunkle Unterführung zu zwingen? Selbst das kleinste Verbot gilt manchen schon als „Umerziehungsversuch“. Manche sind der Ansicht, dem „mündigen“ Bürger dürfe man nichts verbieten, ihn bloß nicht „gängeln“ oder „bevormunden“. Das Verbot gilt als etwas Negatives, das Erlaubte hingegen ist das Gute.
Was für ein schräger Gedanke!
Das Verbot gehört zu notwendig unserem Dasein. Was wären wir ohne! Sind wir doch froh, dass man die Gleise nicht überschreiten, rechts nicht überholen, vielerorts nicht Rauchen und im Rhein nicht Baden darf. Die Wirtschaft ist voller Verbote. Im Aktienrecht, beim Arbeitsschutz oder, selbstverständlich, Banknoten nachzumachen. Die meisten Verbote sollen ja hierzulande nicht die Freiheit einschränken, sondern uns vor negativen Einflüssen schützen. Freiheit definiert sich ja gerade dadurch, dass alles erlaubt, was nicht verboten ist. So ist das bei uns. Alles ist erlaubt, nur nicht das Überschreiten der Gleise. Wäre das nicht so, hieße es: „Erlaubt ist nur das Benutzen der Unterführung“. Sicherlich muss eine freiheitliche Gesellschaft jedes Verbot hinterfragen, das gilt aber für das Erlaubte genauso.
Wir schätzen am knackigen Verbot das Klarkantige, Unmissverständliche, Ausnahmslose, Eindeutige. Das Verbot hat nichts Wachsweiches, das Verbot stellt nicht anheim, das Verbot lässt keine Wahl, bevorzugt niemanden, benachteiligt niemanden, gilt für alle.
Gerade in so einer angespannten Lage der Volksgesundheit, die wir haben, wäre Eindeutigkeit genau das Richtige. Wenn die Regierenden zur Einsicht gelangen, es sei ein Lockdown nötig, um die Pandemie aufzuhalten – dann sofort. Nicht erst einer Woche. Die UK-Korrespondentin des Deutschlandfunks berichtete am Tag vor Heiligabend: „Man will den Leuten Weihnachten keine Verbote aufzwingen“ (Europa heute, Deutschlandfunk, 23.12.2921).
Und wenn die Regierung jedem ein „Impfangebot“ macht, braucht sie sich nicht wundern, dass das manche ablehnen. Bei einem „Angebot“ hat man die Wahl – annehmen oder ablehnen. Was die Regierung meint, aber nicht sagt, ist eine „Impfpflicht“, wenn schon noch nicht juristisch, dann auf jeden Fall moralisch.
Stattdessen eiern sie rum. Wo Verbote unumgänglich waren, um den Gesundheitsschutz aufrecht zu erhalten, hat man sich um den Begriff „Verbot“ gedrückt. Es hieß dann, der Besuch von Schwimmbädern, Konzerten oder Restaurants sei „nicht möglich“.
Doch „nicht möglich“ ist kein Synonym für „verboten“. Es ist etwas ganz anderes. Das Baden in einem mit Wasser gefüllten Becken ist schon möglich, aber verboten (wg. Infektionsschutz im Hallenbad). Wenn aber kein Wasser im Becken ist, dann ist Baden vielleicht erlaubt, aber nicht möglich.
Ein Verbot sollte grundsätzlich generell gelten. Das macht ein Verbot sozusagen „demokratisch“ und „egalitär“. Ausnahmen sind Gift. Um beim Beispiel mit dem Verbot des Überschreitens der Gleise zu bleiben, könnte man ja sagen, das Verbot gelte nur für Menschen mit Rollatoren, nicht aber für junge, flinke, was ja nicht ganz unsinnig wäre, bei Rollatorennutzerinnen und -nutzern aber für Unmut sorgen würde. So ist das mit Fahrverboten in Städten, die für einen bestimmten Fahrzeugtyp nicht gelten, nämlich für neuere Fahrzeuge mit einer bestimmten Schadstoffklasse, die glaube ich, beim Dieselmotor 6d heißt. Durchaus verständlich, dass diese Ausnahme bei Fahrzeughaltern, die ein älteres Fahrzeug ihr eigen nennen, das sie jeden Samstag waschen und pflegen und lange erhalten, für erheblichen Unmut sorgt.
Dabei sollten wir uns vor dem Verbot gar nicht fürchten. Es hat ja durchaus etwas Positives an sich. Zum Beispiel der Gesundheitsschutz von Anwohnern viel befahrener Straßen in Städten. Zum Beispiel die Ruhe von Wildtieren in Schutzgebieten, wo das Verlassen der Wege verboten ist. Zum Beispiel beim Fußball, wo das Spiel nicht besser wird, wenn man dem Gegner ein Bein stellt.
Leben ohne Verbote ist wie Slalom ohne Stangen. Irgendwie sinnlos.
Foto: „Holzeinschlagt birgt Gefahren“ vom 6.11.2015,
Verband Hessischer Waldbesitzer
https://www.hesswald.de/2015/11/holzeinschlag-birgt-gefahren/