Der Dagobertismus ist eine sich rasch
ausbreitende Wirtschaftstheorie.
Ihr zentrales Element:
der Geldspeicher.
Ja, der Geldspeicher! Untrennbar ist er mit der Person des Dagobert Duck, Fantastilliardär aus Entenhausen, verbunden. Sein Motto „nur Bares ist Wahres“ lebt er konsequent. Sein Geld hat daher nicht in Aktien, Anleihen oder anderem Schnickschnack angelegt, sondern in guten goldenen Talern. Diese hortet er im Geldspeicher und eine seiner Lieblingsbeschäftigungen ist es, im Meer von Goldtalern zu baden.
Der Dagobertismus erfreut sich vieler Anhänger. Sogar Prominente sind darunter. Kürzlich erschien in der FAZ eine Anzeige für ein Buch mit dem Titel „Die Schulden im 21. Jahrhundert“ von Daniel Stelter (am Rande, bzw. in Klammern: das Buch soll die Piketty-Theorien widerlegen, worüber wir hier und jetzt aber nicht eingehen müssen). Zwei prominente Ökonomen haben das Buch bereits gelesen und folgende Statements (als Kauftipp) abgegeben: 1. Henrik Müller, Ökonom und Autor, Professor an der TU Dortmund, ehemaliger stellvertretender Chefredakteur des Manager Magazins (immer gern gelesen) schreibt – „Die Welt hat kein Problem mit zu großem Reichtum, sondern mit zu hohen Schulden. Dieses Buch legt schonungslos Ursachen und Folgen offen. Ein wichtiger Beitrag zu einer überfälligen Debatte.“ 2. Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute und ehemaliger Chefvolkswirt der Deutschen Bank, notiert: „Daniel Stelters eingehende Analyse von Pikettys Thesen kommt zu dem ebenso verblüffenden wie überzeugenden Schluss: Vermögen sind nur ein Symptom, Schulden die wahre Ursache.“ Ursache von was? Aber, egal.
Beide Ökonomen dividieren Schulden und Vermögen auseinander – tatsächlich gehört aber beides zusammen. Die Schulden des einen sind das Vermögen des anderen. Den Geldmarkt steuern hier die Banken.
Der eine bringt sein Geld zur Bank – er lagert es eben nicht im Geldspeicher, wenn er reichlich hat, und auch nicht unter der Matratze, wenn es wenig ist.
Der andere braucht einen Kredit.
Die Bank kann nur dann Kredite ausgeben, wenn ihr andere das Ersparte bringen. Dieses System ist aus dem Gleichgewicht, wenn ein ungeheurer Bedarf an Krediten (für Konsum und Investitionen) herrscht, aber kein erspartes Kapital oder umgekehrt, Berge von erspartem Kapital, aber kein Kreditbedarf. Derzeit leidet die Volkswirtschaft unter dem letztgenannten Ungleichgewicht. Es ist ein Haufen Geld da, das eigentlich keine Anlagemöglichkeit findet.
Und nur einen Haufen Geld zu sehen, das ist das Wesen des Dagobertismus. In seiner Lehre verkündet der Dagobertist, hier sei ein Haufen Geld (im Geldspeicher) und dort ein Haufen Schulden und beides hätte nichts miteinander zu tun. So sehen es Müller und Mayer.
In Wahrheit ist der Schuldenberg natürlich ein tiefes Loch und das Vermögen anderer passt genau hier hinein.
Das ist ja auch völlig in Ordnung, wenn der eine sich verschuldet, um zu investieren (oder zu konsumieren) und der andere ihm das Geld leiht und Zinsen dafür bekommt. Nicht in Ordnung ist, dass die Vermögen schneller wachsen als irgendwas, vor allem als der Bedarf an neuen Krediten.
Daher müssen die Schulden immer schön recht hoch sein, sonst gehen die Anlagemöglichkeiten aus. Und das funktioniert so:
Eines Tages erhält der in seinen Talerchen badende Dagobert Duck Besuch von einem Asset Manager. Natürlich weiß der alte Duck, dass sein Geldspeicher zwar viel Freude, aber keine Rendite bringt. Der Asset Manager empfiehlt, das Geld der Stadt Entenhausen zu leihen. Nun braucht aber die Stadt kein Geld, sie legt Wert auf einen soliden, ausgeglichenen Etat. Also empfiehlt der Anlageberater, vor der nächsten Wahl eine bestimmte Partei massiv mit Geld zu unterstützen. Am besten eine Partei, der öffentliche Investitionen wichtiger sind als ein ausgeglichener Haushalt, schließlich schaffen Investitionen Arbeitsplätze. Diese Partei gewinnt, und der Asset Manager wird zum Stadtkämmerer ernannt. In dieser Rolle drängt er den Bürgermeister und die Gemeinderäte zu einem großen, zukunftsträchtigen, kreditfinanzierten Projekt, das zum Beispiel „Entenhausen 21“ heißen könnte. Und so ist allen gedient: Dagobert Duck zeichnet Anleihen der Stadt Entenhausen, wohl wissend, dass diese niemals pleitegehen wird, die Bürger bekommen Arbeitsplätze und eine moderne Infrastruktur.
Nur die Stadt Entenhausen ist jetzt hoch verschuldet, aber wen interessiert das schon, bei so vielen Vorteilen.
Wichtig: Glauben Sie den Dagobertisten nicht, die behaupten Vermögen und Schulden hätten nichts miteinander zu tun. Geldspeicher gibt es nicht.