Unsere Waschmaschine läuft und
läuft und läuft und ist somit
ein Indiz dafür, dass der Kapitalismus
eben nicht so richtig läuft.
Mit unserer Waschmaschine verhält es sich so ähnlich wie mit dieser verblichenen Schildkröte, wie hieß sie gleich, George. Sie wurde 150 Jahre alt, geschätzt, denn genau weiß es ja keiner, der es hätte aktenkundig machen können.
Keine Ahnung, wie alt unsere Waschmaschine ist. Meine Mutter hat sie mir für den ersten eigenständigen Haushalt nach dem Studium überlassen. Das war 1992. Da war sie, die Waschmaschine, aber schon einige Jahre im Gebrauch. Derzeit also 23+. Dreiundzwanzig Jahre und noch ein paar dazu. Sie wäscht fast jeden Tag. Reparaturen? Praktisch keine.
Das ist heute anders. Repariert wird gar nicht, sondern neu gekauft. Und zwar auch Waschmaschinen. Gerade haben Umweltbundesamt und Öko-Institut in einer „Obsoleszenz-Studie“ festgestellt, dass große Haushaltsgeräte (Waschmaschinen, Wäschetrockner und Kühlschränke) immer früher ihren Geist aufgeben. Der Anteil der Geräte, die nach weniger als fünf Jahren wegen eines Defekts aus Keller und Küche verschwinden, stieg von 2002 bis 2012 von 3,5 auf 8,3 Prozent. Die so genannte „durchschnittliche Erstnutzung“ verkürzte sich in dieser Zeit um ein Jahr auf 13 Jahre. Dagegen ist unsere Waschmaschine ein wahrer Methusalem!
Solche Alten genossen früher einmal Wertschätzung. Und zwar nicht nur als Menschen, sondern auch als technische Gegenstände. Ende der 60er-Jahre gab es diese berühmte Werbekampagne von Volkswagen, die unter anderem die Langlebigkeit des Produktes pries: „Er läuft und läuft und läuft“ hieß es zu einem Auto namens „Käfer“.
Das ist heute so ziemlich das Letzte, was sich Automobilhersteller und die Industrie wünschen. Langlebigkeit ist geradezu geschäftsschädigend. Wo soll Wachstum herkommen, wenn die Menschen wenig konsumieren, weil sie ihr Zeug lange nutzen? Langlebigkeit läuft der herrschenden Wachstumsdoktrin im Kapitalismus zuwider. Eifriger Konsum ist dringend erwünscht, wie kürzlich schön in einem Spiegel-online-Beitrag über die Verschuldung junger Leute zu lesen war.
Und damit die Leute viel kaufen, müssen die Dinge schnell kaputt gehen. Absicht? Das liegt nahe, ist aber kaum beweisbar. In einem zweiten Teil ihrer Obsoleszenz-Studie wollen Umweltbundesamt und Öko-Institut klären, ob die Hersteller die Lebensdauer ihrer Produkte absichtlich kurz halten und immer weiter verkürzen.
Wobei die Dinge nicht einmal kaputt gehen müssen. Bei Fernsehern, auch das steht in der Studie, können die Leute ihr „altes“, gut funktionierendes Gerät gar nicht so schnell aus dem Fenster werfen, wie sie in die Elektronikmärkte rennen, um sich einen neuen Flachbildschirm, der ja ach so schick ist, zu kaufen. Im Schnitt steht ein Fernseher nur noch 5,6 Jahre in der guten Stube. Diese Zeit verkürzte sich binnen eines Jahrzehnts um die Hälfte.
Eigentlich müsste aber die Erstnutzungsdauer immer länger werden. Denn ein neues Produkt oder zumindest eine „Modellpflege“ hat ja gerade den Sinn darin, das Produkt besser wirken zu lassen. Also ein neues Design, hochwertige Materialien, höhere Leistung, niedrigerer Verbrauch, größerer Speicherplatz, bessere Auflösung und so weiter. Wäre ein neues Produkt wirklich besser, müsste es auch länger halten. Tut es aber nicht. Langlebigkeit ist eine Eigenschaft, die die Hersteller bewusst umgehen.
Die Manufaktum-Mentalität ist wohl auch unter den Kunden nicht mehr so verbreitet. Das Versandhaus wirbt mit dem Spruch „es gibt sie noch, die guten Dinge“, die ewig halten. Ewig halten sollen die Dinge nicht und der Konsument soll sich auch davon verabschieden, das ist die Mentalität der Wirtschaft, die immer weiter um sich greift.
Die Mobilfunkanbieter erziehen ihre Kunden bereits dazu, sich jedes Jahr ein neues Smartphone anzuschaffen. Darum müssen diese Kunden immer jünger werden, damit sie sich überhaupt so erziehen lassen. Ältere Menschen erinnern sich dagegen an ein anderes Werteverhältnis. Ein Telefon hielt ewig und war in der Regel kostenlos. Eine Waschmaschine hielt lange war teuer. Heute kosten eine Waschmaschinen und Smartphones etwa gleich viel. Da liegt es doch nahe, sich auch jedes Jahr eine neue Waschmaschine zu kaufen.
Ach was kaufen – wir leasen! Wir werfen unsere Waschmaschine endlich hinaus. Nicht das Besitzen kostet künftig, sondern das Nutzen. Zahlen für jedes Kilo gewaschene Wäsche, wie beim Auto für jeden gefahrenen Kilometer. Und nach zwölf Monaten kommt wieder das neueste Modell. Endlich!