Sie wollen ins Gurken-Geschäft einsteigen?
Dann müssen Sie 121.360 Gurken im Monat ziehen,
ernten und verkaufen, um halbwegs
über die Runden zu kommen.
Dreiunddreißig Cent (in Zahlen: 0,33 €) haben wir kürzlich in einem Supermarkt für eine Gurke bezahlt. Dass es der Bauernstand (heute besser: Agro-Business) nicht leicht hat, war schon klar, aber wie man bei solchen Preisen, geschäftlich gesehen, leben, überleben bzw. überhaupt existieren kann, stellt sich als Rätsel dar.
Die 33 Cent nehmen wir mal als Ausgangspunkt für eine Rentabilitäts- bzw. Plausibilitätsrechnung. Oder einfach für ein Zahlenspiel.
Der Sinn besteht darin, herauszufinden, wie viele Gurken man produzieren muss, um damit halbwegs über die Runden zu kommen, sprich, mindestens einen Durchschnittslohn von 2500 Euro brutto pro Vollzeitarbeitskraft im Monat zu kommen. Freilich gibt es Leute, die 2500 Euro/Monat unverschämt viel finden, aber die beachten wir mal gar nicht.
Zurück zu den 33 Cent, was ja der Verkaufspreis im Supermarkt ist, und zur Frage wie viel davon beim Gurkenbauer ankommt.
Um eine Antwort zu finden, reicht ein kleiner Exkurs. Ein Exkurs in Form eines Buchtipps.
Lesenswert: „Billig. Billiger. Banane – wie unsere Supermärkte die Welt verramschen.“ von Sarah Zierul (Oekom Verlag, München 2015, 19,95 Euro). Die Autorin schildert in diesem Buch, welche dramatischen Konsequenzen der Preiskampf der Discounter hierzulande auf die Verhältnisse in den Anbauländern hat. Die wenigen Lebensmitteleinzelhändler (Aldi, Lidl, Edeka und Rewe) haben eine so große Einkaufsmacht, die sie dazu nutzen, um die Preise gnadenlos zu drücken. Die Folge, so Sarah Zierul, seien unter anderem äußerst niedrige Löhne in den meisten Anbauländern. Die folgende Rechnung stammt aus dem Buch (S. 135). Demnach verteilen sich die Einnahmen für Bananen aus Ecuador in etwa so:
– Einzelhandel – 34,6 Prozent
– Großhandel und Reiferei – 11,4 Prozent
– Zoll – 11,8 Prozent
– Importeure – 23,9 Prozent
– Exporteure – 5,5 Prozent
– Produzenten – 6,1 Prozent
– Löhne Arbeiter(innen) – 6,7 Prozent.
Zurück zur Gurke. Ein Vergleich hinkt vielleicht. Gurken und Bananen haben jeweils ihre Eigenheiten. Jedoch auch Gemeinsamkeiten. Beides sind Importfrüchte (Gurken ganzjährig aus dem Süden, im Sommer selten aus Deutschland) und wenn die Banane nicht krumm wäre, könnte man sie in grünen Zustand, also bei der Ernte, kaum von der Gurke unterscheiden.
Egal. Entscheidend ist hier, wieviel der Bauer für die Früchte seiner Arbeit bekommt. Bei der Banane sind es 12,8 Prozent vom Verkaufspreis, das heißt, für Produzent und Arbeiter zusammen, also Umsatz des Anbaubetriebes. Da hiervon noch alles Mögliche weggeht, Kosten für Pacht, Maschinen, Betriebsstoffe, Sämlinge, Wasser, Düngemittel etc., ist die entscheidende Größe auch hier der Arbeitslohn – 6,7 Prozent vom Verkaufspreis.
Also 6,7 Prozent von 33 Cent.
Das macht, 7 Prozent Umsatzsteuer herausgerechnet, 2,06 Cent pro Gurke.
So gesehen muss der Bauer 121.360 Gurken im Monat ernten, um auf 2500 Euro brutto zu kommen. Das sind gut 6000 Gurken am Tag oder 750 in der Stunde.
Keine Ahnung, wie das gehen soll. Aber ich bin ja auch nicht vom Fach.
Vielleicht gibt es Maschinen. Gurkenpflückmaschinen? Gurkenvollernter? Sicher nicht billig. Es gibt Schwarzarbeiter mit niedrigstem Lohnniveau. Billigstlöhner. In der Landwirtschaft besonders weit verbreitet.
Aber auch das erklärt nicht, wie eine Gurke nur 33 Cent kosten kann. Es ist ein Rätsel.