Mathias, Tim und Struppi

timundstruppi-mymediawelt-carlsenDer Journalismus hat sein Bestes
noch vor sich, sagt Mathias Döpfner,
der Vorstandsvorsitzende des
Medienkonzerns Axel Springer SE.
Wunderbar!
Die bisher besten Zeiten
für den Journalismus waren
die von Tim und Struppi.
Tim, der Journalist, wird für seine Reportagen aus Afrika
mit Geld überschüttet.


Tim und Struppi unterwegs nach Afrika. Auf dem Schiff treten die Herren von den Zeitungen an ihn heran: „Die New York Evening Press bietet Ihnen 5000 Dollar…“, „Die Londoner Daily Paper bietet Ihnen 1000 Pfund…“, „Der Diario de Lisboa würde mit größtem Vergnügen 40.000 Escudos zahlen…“ – das waren goldene Zeiten für den Journalismus (Tim im Kongo, Carlsen Comics, Erstveröffentlichung 1930).
1930! Das ist schon ein paar Tage her. Die Lage für Journalisten stellt sich heute meist ein wenig anders dar. Festangestellte Redakteure fürchten oft einen Stellenabbau*, freie Journalisten, wie Tim, leiden unter mageren Honoraren. Dafür gibt es im Wesentlichen drei Gründe.
Erstens ist es heute ganz leicht, sich schnell und aktuell ein Bild vom Kongo und überall auf der Welt zu machen. Es gibt Heerscharen von Reisenden, die sich berufen fühlen, ihre Erlebnisse und Bilder ins Netz zu stellen. Auch die meisten großen Verlage, darunter Axel Springer, stellen journalistische Leistungen (Nachrichten, Reportagen, Hintergründe, Fotos) ins Netz. Frei zugänglich für jedermann. Gratis.
Darunter leidet, zweitens, der Markt für journalistische Darbietungen. Kein Verlag überschüttet seine freien Reporter mit Geld. Uns ist ein Beispiel für eine (nicht exklusive) Reportage aus Afrika bekannt, die mit 520 Euro vergütet wurde (der New-York-Evening-Press-Mann bietet Tim zuletzt 10.000 Dollar). Sie hatte eine Länge von rund 240 Zeilen, was einem Honorar von gut zwei Euro pro Zeile entspricht. Das ist eher im oberen Bereich der Vergütungsskala. Unsere Heimatzeitung entlohnt ihre freien Mitarbeiter mit 0,15 Euro pro Zeile! Bei Fotos ist es im Grunde noch schlimmer…
Drittens: Tim und Struppi waren Helden. Zwischenzeitlich hat der Ruf von Journalisten ein wenig gelitten. Heute geht das Wort „Lügenpresse“ um. Das Vertrauen in Journalisten ist nicht mehr besonders hoch. Der Chefredakteur von Stern.de, Philipp Jessen, hat das kürzlich in einem schönen Editorial zusammengefasst.
Daher freuen wir uns über Mathias Döpfner, der dem Journalismus endlich wieder Bedeutung verleiht und uns dessen wahren Wert vor Augen führt. Der Axel-Springer-Konzern hat gerade das amerikanische Wirtschaftsnachrichtenportal Business Insider für 300 Mio. Euro erworben, dessen deutsche Ausgabe demnächst erscheint. Das Internet-Magazin will expandieren und jedes Jahr weltweit bis zu 200 Journalisten neu einstellen.
Na, das ist ja fast wieder so wie bei Tim und Struppi. Die Reportage aus Afrika war noch gar nicht geschrieben, da wurde Tim schon ins Flugzeug nach Chicago gesetzt:
Auf zur nächsten Reportage!

* Einen Tag nachdem dieser Beitrag online ging, meldete der Nachrichtendienst kress.de
Kündigungen bei Axel Springer