„Ham‘ se jedient?“

ruehmann-apa-diepresse-2Dienen ist sowieso megaout und
dem „Vaterland“ schon gar nicht.
Dennoch lohnt es sich angesichts
der aktuellen Krisen, über einen
Dienst nachzudenken.
Vielleicht stiftet er Gemeinsinn,
vielleicht hilft er bei der Integration.


„Ham` se jedient“ – das Zitat stammt aus dem Stück „Der Hauptmann von Köpenick“ von Carl Zuckmayer. Darin sucht die Hauptperson Wilhelm Voigt in einer Schuhfabrik Arbeit und wird vom Prokuristen gefragt, ob er „gedient“ habe. Das „Dienen“, also der Dienst beim preußischen Militär, stand im Jahre 1906, in dem das Stück spielt, enorm hoch im Kurs. So ist das bei uns zum Glück heute nicht mehr. Hier soll es auch nicht um den Dienst beim Militär gehen, zumindest nicht in der Hauptsache.
Aber doch um Dienst.
Genauer, den Bundesfreiwilligendienst.
Kristina Schröder, CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Bundesministerin für Familie, Frauen, Senioren und Jugend, hat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen interessanten Artikel veröffentlicht („Flüchtlinge in den Freiwilligendienst„). Darin schlägt sie vor, die Flüchtlinge sollten zum Beispiel 18 Monate Freiwilligendienst ableisten und ihren Dienst an der Gemeinschaft in sozialen Einrichtungen tun. Oder neu ankommende Flüchtlinge unterstützen.
Das ist eine prima Idee – wenngleich es viele Hürden zu überwinden gibt.
Die höchste: Nach den Worten von Frau Schröder gibt es schon jetzt nicht genügend Plätze für die deutschen Bewerber. Man müsste also zunächst einmal viele, viele neue „Bufdi“-Plätze schaffen.
Dennoch ist die Idee sogar so prima, dass ich sie hier ein wenig ausbauen möchte.
1. Der Dienst wird nicht freiwillig, sondern verpflichtend. Es war einer der größten politischen Fehler, den Wehr- und Zivildienst „auszusetzen“, das heißt, quasi abzuschaffen.
Führen wir diese Dienste jetzt wieder ein!
2. Aber anders. Und zwar müssen jetzt alle Deutschen Staatsbürger ab 18 mindestens ein Jahr „dienen“. Ein „Bundesdienst“ für alle! Wo sie dienen, ist egal. Die jungen Leute beiderlei Geschlechts haben die volle Wahl zwischen einem zivilen Dienst im sozialen oder ökologischen Bereich, zum Beispiel im Seniorenheim, in Behinderteneinrichtungen, in kirchlichen Einrichtungen, einer Naturschutzorganisation, beim Technischen Hilfswerk, bei der Freiwillige Feuerwehr (auch da fehlen Leute!) und was es sonst noch alles gibt und was einmal „Zivildienst“ hieß. Oder die jungen Deutschen leisten Dienst an der Waffe.
3. Alle hier ankommenden Flüchtlinge, die bleiben wollen, die bleiben dürfen, müssen den Dienst leisten.
Die Frage, warum sie das tun sollten, beantwortet Kristina Schröder so: Sie hätten die Chance, dem Land, das ihnen Schutz bietet, etwas zurück zu geben.
Für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive wäre das tatsächlich eine Chance: Sie könnten Sprache und Land kennenlernen, sie könnten sich auf den Arbeitsmarkt vorbereiten. Denn nachdem, was bisher über die Qualifikation der Flüchtlinge bekannt ist, wird es eher schwierig, sie in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Natürlich bekommen sie, wie alle „Bundesdienstler, Budis“, so hieße das künftig, Unterkunft, Verpflegung und ein Taschengeld. Hinzukommen Sprach- und Integrationskurse. Haushaltsrechtlich hätte das auch den Charme, dass die finanziellen Mittel direkt vom Bund kommen könnten und nicht die Kassen der Kommunen belasten würde.
Dennoch wirft das alles eine Menge Probleme auf. Allerdings wäre der „Pflicht-Bundesdienst“ nicht das Problem, sondern ein vielleicht möglicher Weg, den anhaltenden Flüchtlingsstrom sinnvoll in vernünftige Bahnen zu leiten.
Das wohl größte Problem, Kristina Schröder erwähnte es, sind die fehlenden Plätze. Obwohl allein die Ankunft so vieler Menschen genug Möglichkeiten bietet, Stellen für die Hilfe bei der Integration zu schaffen, geht es nicht ohne die Wirtschaft, ohne die Unternehmen. Vielleicht wären hier Praktikumsstellen in Betrieben, exklusiv für Flüchtlinge, ein gangbarer Weg. Die Arbeitgeber haben ihre grundsätzliche Bereitschaft, Flüchtlinge zu nehmen, schon signalisiert. Trotzdem wäre vermutlich eine Flüchtlingsquote für alle Betriebe eine gerechtere Lösung als die reine Freiwilligkeit. Es ist auch eine Frage der Symmetrie: Wenn Flüchtlinge zum Dienst oder zum Praktikum gezwungen werden, müssen auch die Unternehmen gezwungen werden, Praktikumsplätze bereit zu stellen.
Das alles klingt sicher ganz übel nach Zwang und ist ohne Zweifel ein heftiger Eingriff in die Freiheit der Wirtschaft. Nur ist die Zahl der Flüchtlinge auch eine selten große Herausforderung, die etwas Courage von allen und mutige Problemlösungen erfordert. Außerdem muss man hier wieder mal das alte George-Bush-Zitat anbringen: „It’s economy, stupid!“ Zwar ziehen wir den Hut vor allen Bürgerinitiativen, die Flüchtlinge willkommen heißen und eingliedern helfen, vor allen Lehrkräften, die mit Sprachvermittlung dasselbe tun – die Hauptintegrationslast trägt die Wirtschaft. Der Wirtschaft muss es gelingen, den bei uns Schutz suchenden Menschen auch Arbeit zu geben, wenn der Staat – Bund, Länder, Gemeinden – die bürokratischen weitgehend abschafft.
Ob für Flüchtlinge eine gleich lange Dienstdauer wie bei den deutschen „Bundesdienstlern“ ausreicht, ist fraglich. Aber man könnte eine Verlängerung der Dienstzeit auf drei oder fünf Jahre mit dem Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft attraktiver machen. Wer will, kann hier eine Analogie zur französischen Fremdenlegion sehen, deren ausländische Angehörige ebenfalls das Recht haben, nach fünf Jahren die französische Staatsbürgerschaft zu erwerben.
„Tief durchatmen“ heißt es bei der Frage, ob Flüchtlinge, Frauen und Männer, in der Bundeswehr Dienst an der Waffe leisten können. Tragen wir die Bedenken a-d vor: Da ist a) zunächst die Überlegung, ob diese Menschen überhaupt eine Waffe in die Hand nehmen wollen. Immerhin sind sie gerade mit knapper Not einem grauenhaften Bürgerkrieg entronnen und dürften vielleicht vorerst genug von Waffen haben. b) Dem Anschein nach ist es gerade die Bundeswehr, die am dringendsten Leute sucht. c) Sind Flüchtlinge das richtige Reservoir oder eher eine Gefahr? Denn wir müssen mit dem Risiko rechnen, dass die Waffen in die Hände der Falschen geraten. Obwohl man sich beispielsweise beim Waffenexport, wobei Deutschland mit führend ist, ziemlich wenig Gedanken macht, wer die Waffen bekommt.
Bei Punkt d) geht es um eine so genannte „Exilarmee“ von Syrern. Der Vorschlag kommt vom polnischen Außenminister Witold Waszczykowski, mit dem wir nicht fraternisieren, der aber auch nicht so lächerlich ist, wie manche tun. Gerade in die Diskussion um einen möglichen Einsatz von Bodentruppen gegen den IS könnte man eine syrische Exil- und Befreiungsarmee ins Spiel bringen. Denn: Im Moment sind weder Europäer noch Amerikaner bereit, Bodentruppen zu entsenden. Falls es aber doch in Zukunft einmal notwendig werden könnte – dann muss man damit rechnen, dass junge Europäer und Amerikaner (sowie deren Eltern) fragen, warum gerade sie, und nicht junge, in Europa lebende Syrer, ihren Kopf für die Befreiung und Befriedung Syriens (und Iraks) hinhalten sollen.
So führte die Argumentation um das „Dienen“ am Ende doch zum Militär, auch wenn das gar nicht Priorität hat. Wie auch immer ein künftiger „Bundesdienst“ aussieht: Der einheimischen Bevölkerung, die den Flüchtlingen teilweise recht reserviert gegenüber steht, könnte so signalisiert werden, dass die neu ankommenden nicht nur nehmen, sondern auch geben wollen.
Wer „jedient“ hat, verdient Respekt.