Mein Weg ist weg

Feldweg im Frhling - BodenseeregionBlumen, Insekten, Vögel – Feldwege sind Lebensräume,
nicht nur Wirtschaftswege. Leider ist das kaum
jemand bewusst. Und so verschwindet ein Weg nach
dem anderen und wird zur leblosen Asphaltpiste.


Blumen, Insekten, Feldhase, Rebhuhn, Fasan – manche haben es doch verstanden, was Feldwege sind. Zum Beispiel die hessische Gemeinde Groß-Zimmern. Zitat1 von der Internetseite „Zur ökologischen Bedeutung von Grasfeldwegen“: „Naturbelassene Grasfeldwege sind wichtige ökologische Vernetzungselemente in der ausgeräumten, intensiv landwirtschaftlich genutzten Feldflur. Hier, in den ungemähten Altgrasstreifen findet Niederwild, Feldhase, Rebhühner, Fasanen, Insekten u.a. noch natürliche Deckung, Ruheraum, Brutraum und Nahrungshabitat.“

Klar, hauptsächlich ist ein Weg ein Weg. Und der dient der Fortbewegung. Nicht nur für Rebhühner, sondern auch für Traktoren und andere Vehikel zur Bewirtschaftung von Feldern und Wiesen. Mit dem Mähdrescher auf Graswegen wird es freilich etwas eng, aber der fährt nur einmal im Jahr.

Ist der Weg breiter, muss das der Natur ebenso wenig schaden wie etwas Schotter zur Befestigung. Umgekehrt schadet es dem landwirtschaftlichen Verkehr nicht, wenn sogenannter Mittelbewuchs auftaucht. Doch bei der aktuellen Neutrassierung von Feld- bzw. Wirtschaftswegen im Zuge einer Flurbereinigung genügt ein wenig Schotter nicht. Da geht es richtig zur Sache: Zunächst wird der Boden auf fünf Meter Breite einen halben Meter tief abgegraben, wobei riesige Mengen Erde zur Entsorgung anfallen, danach wird die Trasse, die jetzt aussieht, als ob ein Kanal geplant wäre, mit Schotter aufgefüllt (nicht mit Wasser), pro Kilometer rund 2500 Kubikmeter. Dann kommt größtenteils eine Asphaltdecke drauf, die das ganze versiegelt. Ein Feldweg als „ökologisches Vernetzungselement“ sieht anders aus.

Natürlich sind es nicht nur ökologische Argumente, die gegen solche „Feldautobahnen“ sprechen. Wie so oft fragt man sich, warum gerade dafür Geld da ist, wo es doch anderweitig überall mangelt und der Staat (Bund, Länder, Gemeinden) mit zwei Billionen Euro in der Kreide steht. Ein Argument gegen das ausufernde Asphaltieren ist auch, dass auf diese Weise breite „Quasistraßen“ (Geschwindigkeit!) entstehen, die Autofahrer gerne als Schleichweg und Abkürzung nutzen. So entstehen Konflikte, wenn auch Spaziergänger oder Radfahrer (Kinder!) die Wege für sich beanspruchen. Geschotterte Wege mit dem einen oder anderen Schlagloch werden von Autofahrern gemieden.

Bei der Frage, wem die Feldpisten vielleicht nützen, kommt als erstes die Landwirtschaft. Wobei sich die Zahl der Bauern immer weiter nach unten, die Größe der Traktoren weiter nach oben entwickelt. Vor dreißig Jahren (etwa eine Generation) reichten 100 PS, das war schon ein richtig großes Gerät, während heute 300 PS gar nichts sind. Heute steht in den meisten Fällen eine kleine Minderheit von Nebenerwerbslandwirten gegen eine Mehrheit von sonstigen Nutzern. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass auch ein 500-PS-Riesentraktor den „ökologisch wertvollen“, naturbelassenen Grasfeldweg nutzen könnte, denn genau dafür sind Traktoren ja konstruiert worden. Dass man nun für diese allradgetriebenen, höchst geländegängigen Maschinen, die eigentlich gar keine Wege brauchen, schnurgerade Asphaltpisten schafft, ist eigentlich ein Witz.

Zugegeben, das hört sich alles ein wenig nach Nostalgie und „heiler Welt“ an. Ist es aber nicht. Vielmehr ist es so, dass die Beschaffenheit der Wege nicht nur eine Frage der Ökologie, sondern auch der Lebensqualität ist.

Sogar Automobilisten wissen das. Niemand macht seine Sonntagsspritztour mit dem Cabrio auf der Autobahn. Spaß, wenn man das so nennen will, macht die Ausfahrt auf kleinen, kurvigen Landsträßchen.

Kleine, kurvige, weiche Gras- oder Schotterwege bevorzugt auch der Mensch, wenn er zu Fuß oder mit dem Rad, wie heutzutage auf dem Land üblich, unterwegs ist. Dass solche Wege im Gegensatz zu schnurgeraden Asphaltpisten von hoher Qualität sind, beweist das Deutsche Wanderinstitut2. Für ein optimales Wandererlebnis (gilt ja wohl auch für den Spaziergang oder das Radeln zum Einkaufen in den Nachbarort) und für die Verleihung des Deutschen Wandersiegels sind eine Reihe von Qualitätskriterien erforderlich, wozu die auch Beschaffenheit der Wege zählt:

erdig, grasig = positiv
geschottert, geteert = negativ

pfadig = positiv
breit, gerade = negativ

Wer glaubt, es gehe darum, dass sich nur Feldhase, Rebhuhn und Fasan wohl fühlen, irrt sich. Es geht um den Menschen, es geht um Lebensqualität.

1 Gemeinde Groß-Zimmern
2 Wanderinstitut