Die Esche ist, bzw. war ein prächtiger Baum.
Durch einen winzigen Pilz droht ihm das Ende, wodurch
ein riesiger ökologischer und wirtschaftlicher Schaden
entsteht. Nichts bräuchte man jetzt dringender als Ruhezonen,
in denen sich Natur ungestört entwickeln kann.
Gab es Esche, erkannte ich es schon am Geruch. Sie ist mein Lieblingsbaum. Das Holz, das sie uns gibt, ist vom Feinsten. Nicht nur für mich, es ist eines der begehrtesten und wertvollsten Hölzer überhaupt. Es ist wie geschaffen für Stiele aller Art, Äxte, Werkzeug, Ruder, früher auch Deichseln und Skier. Und natürlich Möbel. Das Holz hat an sich eine kräftige, charakteristische Maserung. Manche Bäume haben jedoch einen dunklen Kern. Dieses Holz hat eine dunkle Maserung, auch als Oliv-Esche bezeichnet und ist noch wertvoller.
Esche gab es oft. Das Furnierwerk Stöcker in Herrenberg, wo der Autor eine kaufmännische Lehre absolvierte, hatte sich auf Esche spezialisiert. Die dicken, astfreien Stämme kamen zunächst für ein paar Tage in ein heißes Wasserbad. „Gedämpft“ sagt der Fachmann. Dann kam die Rinde weg und der ganze Stamm auf eine der großen Maschine mit bis zu fünf Meter langen Messern. Diese schnitten dann exakt 0,68 Millimeter starke Blätter ab. „Gemessert“ sagt der Fachmann. Es folgte das Trocknen und während des ganzen Vorgangs waberte dieser besondere, starke Duft des warmen Eschenholzes durch die Fabrikhalle.
Das alles ist vorbei. Das Furnierwerk Stöcker gibt es schon lange nicht mehr. Und die Esche ist auch bald weg.
Die letzten Exemplare fallen gerade der Motorsäge zum Opfer. Allerdings ist es genau genommen nicht die Motorsäge, sondern das Falsche Weiße Stängelbecherchen. Ein kleiner Pilz. Er gilt als neu entdeckt und trägt den wissenschaftlichen Namen Hymenoscyphus pseudoalbidus1. Es handelt sich vermutlich um eine eingeschleppte Art, gegen die die Europäische Esche (Fraxinus excelsior) besonders empfindlich ist. Das weiße Pilzchen befällt die Triebe, die daraufhin absterben. Schnell folgt der ganze Baum. Die geschwächten Bäume drohen umzustürzen, daher entscheiden die meisten Forstämter, dass vorher die Motorsäge zum Einsatz kommt.
Am Rhein sind von der Esche dominierte urwaldähnliche Auwaldbestände fast verschwunden. Neunzig Prozent aller Bestände sind bereits tot. Das ist ein trostloser Anblick und für die Forstwirtschaft ist das auch deswegen trostlos, weil der Baum als „Hoffnungsbaum“ in Sachen Klimawandel gilt. Er ist tolerant gegen Wärme, Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit. Nicht jedoch gegen Falsche Weiße Stängelbecherchen.
Es wäre jetzt an der Zeit, größere Bestände sich selbst zu überlassen. Dann zeigt sich, ob einzelne Bäume Resistenzen entwickeln.
Die Schwierigkeit ist, dass man hierzulande Schwierigkeiten hat, Natur sich selbst zu überlassen. Einer gewissen Aufgeräumtheit wird stets der Vorzug gegeben, auch im Wald, hin und wieder taucht sogar die Meinung auf, Natur könne ohne den Menschen gar nicht existieren.
Sie kann. Wenn sie darf. Das ist einer der Grundgedanken eines Nationalparks. Die Definition von Nationalpark lautet „Ein Nationalpark ist ein ausgedehntes Schutzgebiet, das meistens nur der natürlichen Entwicklung unterliegt und durch spezielle Maßnahmen vor nicht gewollten menschlichen Eingriffen und vor Umweltverschmutzung geschützt wird.2“
Solche Flächen könnte gerade Baden-Württemberg gut gebrauchen, wie jetzt wieder am großen Verlust der Eschenbestände zu sehen ist.
Doch gerade in Baden-Württemberg sind die Schwierigkeiten, ein Schutzgebiet auszuweisen, besonders groß.
Es war ein harter Kampf, bis es gelang, den Nationalpark Schwarzwald zu etablieren. Die Emotionen sind dermaßen hochgekocht, dass ein Stoff für Krimis3 daraus geworden ist. Und dabei ist dieser Nationalpark mit seinen 10.062 Hektar noch nicht einmal besonders groß. Zum Vergleich: Der Nationalpark Bayerischer Wald ist allein auf deutscher Seite mehr als doppelt, Yellowstone in den USA hundert Mal so groß. Der Nationalpark Schwarzwald umfasst zudem nur 0,28 Prozent der Landesfläche und besteht nicht einmal aus einer zusammenhängenden Fläche, sondern aus zwei Teilen. Es handelt sich um eine Fläche, die in Baden-Württemberg beim derzeitigen Landschaftsverbrauch von 10 Hektar pro Tag4 in knapp drei Jahren zubetoniert ist. Wobei ja nicht einmal Interesse bestünde, die Böden des Nationalparks Schwarzwald zuzubetonieren, weil sie infrastruktur- und landwirtschaftsmäßig eigentlich wertlos sind (dass hier nur Wald und nichts anderes wächst, ist natürlich auch ein Wert an sich). Beim Zubetonieren konzentrieren wir uns gerade auf die guten Böden.
Spätestens seit dem Eschensterben müssten wir wissen, was dabei auf dem Spiel steht und was auf dem Spiel steht, wenn sich Natur nicht entwickeln kann. Ein wirtschaftlicher Schaden von vielen Milliarden Euro und vielleicht der Verlust eines einzigartigen Baumes.
Es ist die natürliche Entwicklung, auf die es ankommt. Was immer sich entwickelt – es kommt letztlich auch dem Menschen zugute. Auch die Esche.
1 waldwissen.net
http://www.waldwissen.net/waldwirtschaft/schaden/pilze_nematoden/bfw_eschentriebsterben_Mai2010/index_DE
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalpark
3 Bernd Leix, Mordschwarzwald