Wir haben ein Problem mit China.
Das hat mit den Handelsbeziehungen zu tun,
wo nicht alles so rund läuft, wie es scheint.
Denken Sie mal an Wein und Tuch.
Wein und Tuch. Das sind die Güter, die als Symbole für die Vorteile internationaler Handelsbeziehungen stehen. „Arbeitsteilung“ heißt das Zauberwort, jeder macht das, was er am besten kann – in Portugal produzieren die Leute Wein, in England entsteht aus Wolle feines Tuch. David Ricardo hat diese beiden Handelsgüter als Beispiele herausgegriffen und damit um das Jahr 1817 die Theorie der komparativen Kostenvorteile1 entwickelt. Das ist ein vereinfachendes Modell zur Erklärung des Außenhandels zwischen zwei Ländern. Dem Modell liegt dabei die unterschiedliche Arbeitsproduktivität zugrunde, die zu internationalem Handel führt. Wobei es in der Praxis vielmehr klimatische und traditionelle Gründe sind, die zum Handeln veranlassen.
Seit in den 1990er Jahren die Volksrepublik China als neuer Player die Welthandelsbühne betreten hat, ist ein Problem entstanden, das sich, am vorigen Beispiel illustriert, so darstellt.
China kann guten Wein herstellen.
China kann gutes Tuch produzieren.
Auf die modernen Zeiten übertragen:
China ist in Grundstoffen gut, zum Beispiel Stahl.
China kann Spielzeug herstellen.
China kann elektronische Geräte produzieren.
China macht Spitze Hochgeschwindigkeitszüge und anderes Bahnmaterial.
Es gibt kein Ding des täglichen Gebrauchs, das China nicht produziert.
China fertigt solide Automobile für den Inlandsmarkt.
China schickt sich an, eigene Passagierflugzeuge zu starten.
China kann alles.
Aber günstig.
Und in Massen.
So war das in der Theorie der komparativen Kostenvorteile nicht vorgesehen.
Aber: Diese Entwicklung hat dem Land glücklicherweise einen enormen Entwicklungsschub gebracht, zwar mit grassierendem Milliardärsunwesen, jedoch auch der breiten Masse der Chinesen einen relativen Wohlstand.
Uns bereitet diese Entwicklung jedoch Sorgen. Zwei Märkte als Beispiel: Zum einen bei Smartphones. Apple hat in I/2016 erstmals seit Start des Iphones 2007 einen Absatzrückgang verzeichnet2. Das musste so kommen. Ein Tor, der erwartete, mit dem Iphone von Quartal zu Quartal ewig solche phänomenalen Wachstumsraten zu erzielen. Denn zum einen gibt es auch an einem solchen Gerät irgendwann nicht mehr viel zu optimieren, zum anderen haben andere Hersteller nachgezogen. Vor allem junge chinesische Hersteller, deren Namen noch kaum einer kennt, machen Apple mit wettbewerbsfähigen Geräten Konkurrenz.
Zum anderen bereitet der Stahlmarkt Sorgen. Anscheinend gibt es Überkapazitäten, die zu einem Preisverfall führen. Nun geben Europas Stahlunternehmen den Chinesen die Schuld, weil sie angeblich zu viel Stahl herstellen, ihn nicht selbst verarbeiten und zu „Dumpingpreisen“ auf dem Weltmarkt anbieten „Chinas Stahlkocher am Pranger“ lautete die Überschrift im Schwäbischen Tagblatt3.
Das ist nicht fair. Wenn Deutschland als sogenannter „Exportweltmeister“ die Märkte überschwemmt, gilt das als unternehmerische Heldentat. China steht am Pranger. Natürlich hat China beim Stahlkochen „komparative Vorteile“, schon weil die Löhne so niedrig sind. Mit Lohndumping hat das nichts zu tun.
Europas Stahlbosse und Stahlarbeiter werfen den Chinesen außerdem vor, ihren Stahl deutlich unter Marktpreis anzubieten. Na und?
Gibt es jetzt Preisgesetze? Sind 600 Euro für ein Smartphone der Marktpreis? Ist es dann verboten, ein Gerät für 200 Euro anzubieten?
Und überhaupt – was heißt schon Lohndumping. Man hat auch der deutschen Wirtschaft schon vorgeworfen, sie „subventioniere“ den Export mit niedrigen Löhnen. Manche werfen Deutschland auch vor, Flüchtlinge in so großen Mengen nur deswegen aufzunehmen, weil man billige Arbeitskräfte brauche, was aus unserer Sicht eher abwegig zu sein scheint.
Ein dritter Markt ist potenziell gefährdet, was vor allem wir Deutschen im Auge behalten sollten: der Automobilmarkt.
Anekdote am Rande: Die chinesische Regierung hat vor kurzem in Schanghai einen Golfplatz einebnen lassen4. Golf gilt nun einmal nicht als die proletarische Sportart schlechthin. Vergessen wir nicht – in China gibt die Kommunistische Partei den Ton an.
Ich nehme an, die Herren in Stuttgart, München und Ingolstadt haben sich schon Gedanken darüber gemacht, was wird, wenn die Kommunistische Partei befindet, der Genosse und Patriot solle nicht mehr nur aufs Golfspiel, sondern auch auf seien Mercedes, BMW oder Audi verzichten.
Buy Chinese.
Alternativen gibt es genug, besonders für die aufstrebende Mittelschicht, wie die Beijing Motorshow 2016 gerade gezeigt hat.
Um auf Ricardo zurückzukommen. So wie die Engländer früher gedacht haben, sie liefern Tuch und kaufen Wein in Portugal, so denken wir Deutschen, wir liefern Autos und Maschinen, weil wir das so supergut können. Und die Chinesen liefern was?
Klar, Wein auch. Und Apfelsaftkonzentrat, schließlich ist China auch der weltgrößte Apfelproduzent.
Die Chinesen haben die Frage beantwortet.
Sie liefern alles.
Das ist unser Problem.
1 Quelle: Wikipedia
2 FAZ, 28.04.2016
3 Schwäbisches Tagblatt, 19.04.2016
4 FAZ, 25.04.2016
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