Elon Musk, Multimilliardär aus Kalifornien,
will den Mars besiedeln. Große Raumschiffe
sollen von 2025 an jeweils 100 Menschen
zum roten Planeten bringen.
Sind Sie dabei?
Nein. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind Sie eher nicht dabei.
Aber auch ohne Sie: Auf dem Mars könnten in absehbarer Zukunft, so Elon Musk, rund eine Million Menschen leben1. Doch selbst wenn es dann tatsächlich so viele sind, wären das im Vergleich zu denen, die auf der Erde leben, sehr, sehr wenige. Bis der erste Marsexpress startet wird Mutter Erde rund acht Milliarden Bewohner haben, kehrten ihr eine Million den Rücken, sind das doch nur 0,0125 Prozent.
Da das Projekt in Teilen noch recht spekulativ ist, lädt es zum Spekulieren geradezu ein.
Eine wichtige Frage für Sie persönlich ist, ob
A) tatsächlich eine Million Menschen emigrieren oder ob
B) die Zahl der Marseinwohner auf eine Million projektiert ist.
Im Falle von B) reicht eine kleinere Zahl von Auswanderern, sagen wir 10.000 Frauen und Männer (erfordert ca. 100 Flüge), die sich dann im prächtigen Marsklima schnell auf eine Million vermehren würden. Eine kleinere Zahl von Auswanderern würde Ihre persönlichen Chancen dabei zu sein, sehr mindern.
Im Falle von A), also einer Million Erdflüchtigen, wären bei jeweils, wie von Herrn Musk geplant, 100 Passagieren, 10.000 Flüge nötig.
Mehr Menschen – das bedeutet, die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass Sie dabei sind. Direkt beim Start. Gleich danach muss mit einer gewissen Ausfallrate gerechnet werden, und wäre sie so groß wie seinerzeit beim amerikanischen Space Shuttle2, ist die Wahrscheinlichkeit, dass
SIE
vorzeitig und erdnah im Weltraum verglühen, größer als die Wahrscheinlichkeit, den gelobten roten Planeten heil und gesund zu erreichen. Zumindest dessen Umlaufbahn, denn auch die Landung ist kein Kinderspiel, wie die Explosion3 der Marssonde Schiaparelli gerade gezeigt hat.
Die interessantere Variante ist B.
Dazu muss man schon mal mit den Begriffen „reich“ und „arm“ operieren, was immer sehr relativ ist – in der Schweiz gibt es arme Leute, in Niger reiche. Über den Daumen gepeilt:
Mit „reich“ meine ich das Gros der Bewohner z. B. Deutschlands und der USA, mit „arm“ das Gros der Bewohner Kongos oder Afghanistans.
In Variante B kommt ein weiterer Faktor ins Spiel: die Geburtenrate.
Der Punkt ist: Zählt ein Großteil der Marsflieger zu den „Reichen“ und nehmen diese ihre Geburtenrate mit, wird aus einer kleineren Zahl von Auswanderern nie eine Million.
Im Gegenteil, sie werden aussterben.
Außerdem: Was gerade einem Amerikaner wie Elon Musk zu denken geben sollte: Nordamerika wurde nicht von Reichen besiedelt und groß gemacht, sondern von den Armen. An Bord eines Marsexpress werden die Armen von heute bei einem Ticketpreis (Erde-Mars, 1. Klasse, einfach) von 140.000 US-Dollar wohl eher nicht sein. Dafür viele Reiche. Ich will diese reichen Herrschaften nicht diskriminieren: Aber dass sie die Ärmel hochkrempeln und im Schweiße ihres Angesichts eine Marskolonie aufbauen (was angesichts der klimatischen Bedingungen noch schwieriger wird, als das fruchtbare, wohlklimatisierte Nordamerika zu besiedeln), halte ich für unwahrscheinlich. Es sei denn, sie leisten sich Personal. Doch wo sind die Fachleute für die erfolgreiche Besiedlung eines fremden, lebensfeindlichen Planeten?
Seien Sie also froh, dass Sie nicht dabei sind.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Sache schiefgeht ist enorm groß, und zwar nicht nur aus technischen Gründen, sondern aus soziologisch-demografischen.
Seien Sie also froh, dass Sie hierbleiben dürfen.
Überhaupt: Warum wollen manche Leute denn die Erde verlassen?
Elon Musk meint, unsere Erde werde möglicherweise irgendwann nicht mehr bewohnbar sein. Es könne ein „Auslöschungsereignis“ passieren.
Da gibt es in der Tat einige Möglichkeiten, grob einzuteilen, in natürliche und menschengemachte. Nachdem sich gerade erst der Ausbruch des Vulkans Tambora zum 200. Mal jährte, kommt ein Vulkanausbruch als erstes in den Sinn. Es gibt einige Supervulkane, die das Leben auf der Erde doch ziemlich erschweren könnten. Ein Meteorit könnte es sogar ganz auslöschen.
Zu den menschengemachten „Auslöschungsereignissen“ zählt beispielsweise ein Atomkrieg, den sicher nicht die Menschen im Niger auslösen werden. Ferner zählt dazu: die Klimakrise.
Das Besondere an einem vom Menschen gemachten „Auslöschungsereignis Klimakrise“ ist, dass es wiederum nicht von den Armen im Niger verursacht wurde, sondern von den Bewohnern der reichen Länder. Sie sind es, die mit ihrem enormen Ressourcenverbrauch und ihrer gewaltigen Müllproduktion (CO2 ist Verbrennungsmüll in der Atmosphäre entsorgt), die gesamte Menschheit in Gefahr bringen und die Erde unbewohnbar machen.
Etwas prägnanter formuliert: Nachdem die Reichen die Erde versaut haben, hauen sie ab.
Zum Mars.
Und sollten die Reichen ihren Lebensstil auf dem Mars beibehalten (gibt es da die nötigen Ressourcen?), spricht einiges dafür, dass sie auch den Mars bald versauen werden.
Daher sollten Sie sich das mit der Reise zum Mars lieber noch einmal überlegen.
2 insgesamt 135 Flüge, zwei Totalausfälle mit je sieben Toten
https://de.wikipedia.org/wiki/Space_Shuttle
3 Schiaparelli explodiert
http://www.zeit.de/wissen/2016-10/exomars-schiaparelli-explodiert-esa-marssonde
Datei: #107528665 | Urheber: Sergey Drozdov