Wenn Sie jetzt nicht spontan JA sagen,
haben Sie offensichtlich ein Problem.
Früher sagte man mal „Wie geht’s?“.
Heute fragt man „Alles gut?“
Diese Floskel wuchert wie Unkraut durch die deutsche Sprache. Sprachwissenschaftlich betrachtet könnte es ein Neologismus sein.
Der ungarische Kollege, spricht eigentlich recht wenig deutsch, grüßt jedoch immer freundlich mit „Alles gut?“
Woher, teufelauch, hat er das?
Ich habe ja schon so manche Fremdsprache erlernt, die Frage nach dem Befinden des Gegenübers gehört zu den stets zu den ersten Lektionen.
How are you?
Ça va?
Come stai?
Hogy vagy?
Lernen Schüler in Ungarn „hogy vagy“ heißt auf Deutsch „alles gut“?
Doch wo ist das Problem?
Man wird zur Lüge gezwungen!
Oder zum Widerspruch, der aber auch nicht ernsthaft erwartet wird und außerdem unhöflich wäre.
Wer jedoch mit „Alles gut!“ antwortet, lügt.
Nie kann alles gut sein, oder umgekehrt, alles kann nie gut sein.
Alles gut?
Wehe wenn nicht! Dann haben Sie Ihr Leben wohl nicht im Griff.
Auf die Frage „Wie geht’s?“ wird im Deutschen und noch mehr im Englischen im Grunde schon eine positive Antwort erwartet: „Gut, danke.“ oder „Fine, thank you“. Im Deutschen ist unter Umständen auch ein „Es geht.“ möglich, was aber schon ein wenig nach Eingeständnis klingt, dass nämlich eigentlich einiges nicht gut ist. Der Schwabe sagt, und wenn es nicht geht, dann zieht man es.
Am schönsten ist es im Französischen.
Der Franzose fragt: „Ça va?“
Und sein Gegenüber antwortet „Ça va.“
„Ça va?“ ist eine höflich verklausulierte Form der Anteilnahme, das Angebot an das Gegenüber „Schütte Dein Herz aus!“, was natürlich selten jemand tut und im Alltag auch nicht immer praktisch wäre. Aber es ist nett, gefragt zu werden – und es ebenso ist nett, wenn man neutral bleiben darf, schließlich will man sein Herz auch nicht immer ausschütten und seinen Kummer jedem auf die Nase binden.
„Wie geht’s?“ – „Es geht.“
Und es ist doch gut, wenn es „geht“!
P.S.: „Alles gut“ ist eines der Unworte des Jahres der FAZ-Redaktion
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30./31. Dezember 2017)
Weitere „nervige“ Floskeln und Worthülsen:
priorisieren
intelligente Lösungen (siehe auch: intelligent)
Lifehacks
Kalenderwoche
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Employer Branding
Narrativ
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