LED sind sparsam und draußen im Wald wohnt ein feuerspeiender Drache.
Es war einmal die Glühbirne.
Sie gab hell und warm und hielt Jahrzehnte.
Aber: Sie brauchte viel, viel Strom.
Dann kam die LED.
Sie gab hell, doch gar nicht warm.
Aber: Sie brauchte fast keinen Strom.
Und wenn wir nicht gestorben sind,
dann leuchtet sie noch heute.
Soweit das Märchen, welches sich die Generation Glühbirne, zu der ich auch gehöre, erzählt. Mag sein, dass wir Strom gespart haben, als wir schweren Herzens die Glühbirne raus- und das LED-Leuchtmittel reingeschraubt haben.
Schweren Herzens? Vielleicht hatte das gewissermaßen anthropologische Gründe. In Millionen von Jahren haben Menschen Licht und Wärme als Einheit erlebt.
Feuer: Licht und Wärme
Kerze: Licht und Wärme
Glühbirne: Licht und Wärme
LED: Nur Licht.
Möglicherweise fiel uns das Umsteigen auf die LED auch deswegen schwer, weil die LED-Leuchtmittel zu Beginn abgrundtief hässlich waren, während eine Glühbirne ein zeitlos schöner Design-Klassiker war und ist. Zugegeben, das Design von LED-Leuchtmitteln hat sich gewandelt. Alle Designs sind inzwischen möglich, sogar als Glühbirne, wie die herkömmliche Glühbirne schon immer ausgesehen hat.
Wir wollen nichts verteufeln. Eine defekte Glühbirne gegen eine LED einzutauschen ist nicht ganz unsinnig.
Wir haben voriges Weihnachten eine mindestens zehn Jahre alte, defekte (!) Lichterkette (30 x 3 Watt) gegen eine neue (30 x 0,1 Watt) LED-Lichterkette ausgetauscht. So weit so gut.
Bis hierhin könnte man meinen, sei die Energiebilanz halbwegs im grünen Bereich.
Aber: Schon das ist ein Irrtum, oder, wenn man so will, ein Märchen.
Klar, es kostet fast nichts mehr, das ganze Haus taghell leuchten zu lassen, oder die ganze Straße, wie das viele Kommunen tun, jedenfalls bei alleiniger Betrachtung der Stromkosten. Ich will Ihnen hier aber etwas über die Gesamtenergiebilanz erzählen.
Und die ist ziemlich schlecht.
Zur Gesamtenergiebilanz* gehört auch der Aufwand für die Herstellung, den Transport und die Entsorgung. Das alles zusammen lässt die LED in ziemlich schlechtem Licht erscheinen. Da könnte man dran herumkritteln und noch viele wissenschaftlich-technische Studien erstellen, gibt es aber ganz wenige. Doch selbst für den Laien ganz offensichtlich ist doch dies: Eine Glühbirne ist ein ganz, ganz einfaches Ding, ein bisschen Glas, ein bisschen Metall, während der LED-Leuchtkörper ein überaus komplexes Ding ist, das in die Kategorie der Kleinelektrogeräte fällt. Komplex ist auch die Produktion. Bei der LED-Herstellung ist ein Vielfaches an Rohstoffen und Energie nötig. Das gilt nicht zuletzt auch für die Entsorgung. Eine LED ist Sondermüll, voll mit Gift.
Das gestaltet das Recycling ziemlich schwierig. Vielleicht bahnt sich hier eine weitere Episode für ein Märchenbuch an. Das Kunststoffrecyclingmärchen hat darin ja auch schon einen festen Platz.
Nicht zu vergessen den Transport: Das neue LED-Leuchtmittel wird aus China hierhergeschippert, das alte vermutlich als Elektroschrott nach Ghana.
So weit, so schlecht.
Inzwischen hat sich jedoch einiges getan, hallo!
Glühbirne? LED? Leuchtmittel?
Vergessen Sie‘s!
Heute ist die Lampe unser Leuchtmittel. Da gibt es nichts mehr auszutauschen und zu schrauben. Die Lampe leuchtet solange sie leuchtet und wenn sie nicht mehr leuchtet werfen wir sie weg.
Also, die ganze Lampe.
Auf der Packung steht: „Die Lampen in der Leuchte können nicht ausgetauscht werden“.
Damit nicht genug: Nun haben es die Produktentwickler geschafft, dem noch eins drauf zu setzen: mit der XXXL-LED-Lampe.
Ein Beispiel aus dem aktuellen Prospekt eines Möbelhauses: „LED Deckenleuchte, Chrom, Acrylglas, inklusive 100 Watt LED, 9800 Lumen…, Ø ca. 67 cm“.
Wer braucht eigentlich 9800 Lumen? Genug, um ein Stadion zu erhellen. Aber das nur nebenbei.
Der Hauptpunkt ist: Wir wollten in die Zukunft und landeten in der Vergangenheit. Status quo ante. Statt stromfressender 100-Watt-Glühbirne haben wir jetzt eine stromfressende 100-Watt-LED-Komplettlampe. Rohstoffverbrauch, Abfallaufkommen und Umweltbelastung haben sich vervielfacht.
Noch mal zu unserer neuen Weihnachtsbaumbeleuchtung. Offen gesagt, unter dem Eindruck, sie bräuchte nur ein Dreißigstel des Stroms des Vorgängermodells, sind wir der Versuchung erlegen, sie ein wenig länger stimmungshebend leuchten zu lassen. Klingt banal, ist aber so weit verbreitet, dass die Wissenschaft dem einen Namen gegeben hat: Rebound-Effekt. Kommt fast überall vor: Da wir jetzt ein sparsameres Auto haben, fahren wir mehr. Da wir jetzt sparsame Lampen haben, lassen wir sie länger brennen und ein bisschen mehr Lichtleistung, wie oben genannt, darf es auch sein.
Sicher, auch „früher“ war nicht alles gut. Jede Lampe hat einen „ökologischen Rucksack“, bzw. Carbon Footprint, wie das heute heißt. Nur waren sie nicht von vornherein darauf ausgelegt, baldmöglichst weggeworfen zu werden. Das entwickelt sich jetzt zum Standard.
Nein, die Generation Glühbirne will die Glühbirne nicht verklären. Ja, sie hat eine lausige Effizienz. Sie verwandelt nur rund vier Prozent des Stroms in Licht. Was zumindest in der kalten Jahreszeit ein bisschen als Heizungsunterstützung durchgehen kann. Daher haben satirisch veranlagte Leute versucht, sie als „Heatball“ wieder auf den Markt zu bringen, was die Verwaltungsgerichte jedoch gestoppt haben.
Wie konnte es passieren, dass so eine politische Entscheidung – Glühbirnenverbot – zustande gekommen ist? Wahrscheinlich hat die Lichtindustrielobby das Märchen verbreitet, mit LED könne man 90 Prozent des Stroms sparen und damit europaweit soundsoviele Kraftwerke. Klingt ja zunächst ganz gut. Ist aber leider falsch, was bei dem Leumund, den die Lichtindustrie hat, nicht sehr verwundern muss**.
Tja, was wäre ein Märchen ohne die Bösen?
Die Guten sind am Ende der Geschichte glücklich und zufrieden. Im LED-Märchen, wäre es wohl das Beste, Glühbirne und LED-Leuchtmittel könnten friedlich, ohne Verbote, miteinander auskommen.
Für die Glühbirne gilt: Und wenn sie nicht verboten wäre, dann leuchtete sie noch heute.
* Einen umfassenden Überblick finden Sie hier auf der Webseite der Glühbirne (genaugenommen von Glühbirnenfreunden) „Argumente für die Glühbirne – Informationen über Glühbirnen, Halogen, Led & Sparlampen“.
Mehr Wissenswertes beim Umweltinstitut München e. V., wo es auch heißt, dass keine unabhängigen Studien zur Gesamtökobilanz Glühbirne/LED vorliegen.
** 1924 haben sich internationale Glühlampenhersteller zu einem Kartell zusammen getan, um unter anderem die Lebensdauer einer Glühbirne zu begrenzen (Phoebuskartell).