Alle acht Jahre eine große Halle

Sagt ein schwäbischer Unternehmer. Soll für Wachstum stehen,
zeigt aber die Begrenztheit unseres wirtschaftlichen Handelns.
Zunächst einmal: Geht es den Unternehmen hierzulande gut, ist das selbstverständlich ein Anlass zur Freude. Arbeitsplätze!

„Wir haben zuletzt alle acht Jahre unsere Produktionsfläche verdoppelt“, sagt der Inhaber eines Maschinenbauunternehmens in Baden-Württemberg. Die Überschrift des Berichts in der Lokalzeitung lautete daher: „Alle acht Jahre eine große Halle“.

Tun wir es allerdings den Unternehmern gleich und rechnen genau nach, müssen wir feststellen, wie auf diese Weise schnell die Grenzen des Wachstums erreicht sind. Für eine solche Halle braucht das Unternehmen mit etwa 1000 Beschäftigten rund 20.000 Quadratmeter Fläche, also zwei Hektar. Hinzu kommen weitere zwei Hektar Außenfläche, Parkplätze, Zufahrten usw., macht vier Hektar alle acht Jahre. Das sind dann 0,5 Hektar pro 1000 Beschäftigte im Jahr.
Daraus ergibt sich für eine mittelgroße Stadt in Baden-Württemberg mit 40.000 Einwohnern und 16.000 Arbeitsplätzen ein Bedarf von acht Hektar pro Jahr.

Nun sind nicht alle Betriebe so erfolgreich, dass sie einen solchen Flächenbedarf haben, außerdem kommen auch wieder konjunkturell schlechtere Zeiten und nicht jedes Unternehmen braucht grundsätzlich Produktions-, Lager- und Logistikflächen in diesem Umfang.
Dennoch wird es eng im Ländle und nicht nur dort. Viele Städte und Gemeinden haben einfach keine freien Flächen mehr, die sie den Gewerbebetrieben zur Verfügung stellen könnten.

Daher der Vergleich mit einer Insel. Das Bild zu diesem Beitrag zeigt die Hauptstadt der Malediven, Malé. Sie ist komplett bebaut. Verbaut? 123.00 Einwohner, sechs Quadratkilometer im Indischen Ozean, 20.000 Einwohner pro Quadratkilometer. Angenommen, die dortigen Unternehmer wären ebenso erfolgreich wie die in Baden-Württemberg und würden Gewerbeflächen fordern: Wo?

Sicher, die typisch schwäbische Kleinstadt ist nicht vom Ozean umgeben, aber grundsätzlich in einer ähnlichen Situation. Dass sich Gewerbe jenseits der eigenen Gemeindegrenzen ansiedelt geht gar nicht. Denn die Städte und Gemeinden konkurrieren heftig um die Betriebe, was diese natürlich wissen. Es droht der Verlust von Gewerbesteuern, Spatenstichen, Baggerbissen und Richtfesten, also alles, was Bürgermeister so sehr lieben.
Die Bürger lieben das nicht so. Kommunalverwaltungen stoßen vermehrt auf Widerstand, wenn es darum geht, wertvolle Ackerflächen, Wasserschutzgebiete, Streuobstwiesen oder einfach Brachland, das sich die Natur zurückerobert hat, für Gewerbegebiete herzugeben.

Das ist insofern ein grundsätzliches Problem, da Boden ein nicht recycelbarer Rohstoff ist. Einmal betoniert, versiegelt, auf immer verbraucht, für andere Nutzung verloren. Jedenfalls nach menschlichen Maßstäben.
Nicht einmal die viel beschworene Nachhaltigkeit hilft hier weiter. Nachhaltig heißt, wie wir von der Forstwirtschaft gelernt haben, man entnimmt nur so viel, wie wieder nachwächst.
Boden, fruchtbarer Boden, wächst nicht nach. Streng genommen dürften wir so gesehen eigentlich gar keine Böden mehr versiegeln1. Ganz abgesehen davon, dass wir fruchtbare Böden zur Erzeugung von Nahrungsmitteln und Tierfutter dringend benötigen. Selbst unsere Energie kommt teilweise vom Acker, rückblickend auch nicht gerade der Weisheit letzter Schluss.

Die Frage ist, ob das System „Wirtschaftswachstum“ ganz grundsätzlich etwas mit Weisheit zu tun hat. Denn es sind ja nicht nur die Flächen, die begrenzt sind. Beim Rohstoff „Fläche“ ist es offensichtlich, dass wir an Grenzen stoßen. Doch auch die Verfügbarkeit fast aller anderen Rohstoffe ist begrenzt. Wirtschaftswachstum ist daher kaum eine Option für die Zukunft.

Der Flächenverbrauch in Deutschland ist einer der höchsten weltweit. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Artenvielfalt, wie gerade wieder anlässlich einer Tagung des Weltbiodiversitätsrates der Vereinten Nationen zu hören war. Der Verlust von intakten Ökosystemen reduziert nicht nur den Reichtum der Tier- und Pflanzenwelt, sondern beeinträchtigt direkt das Wohlergehen der Menschheit2.
Zwar ist der Flächenneuverbrauch in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen, auf rund 66 Hektar pro Tag. Das ist immer noch zu viel.
Das Umweltbundesamt gibt als Ziel für das Jahr 2030 rund 20 Hektar vor3.
Der Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) hat schon 2011 den „30-Hektar-Tag“ als bundesweiten Aktionstag für nachhaltiges Flächenmanagement ausgerufen. Er fällt jeweils auf den Tag im Jahr, an dem die laut 30-Hektar-Ziel verfügbare Fläche für das gesamte Jahr aufgebraucht ist – im Jahr 2017 war dies der 15. Juni4.
Die Bundesregierung hat einst vorgegeben, den Verbrauch bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu senken5.
2020? Man darf daran erinnern, dass wir bereits 2018 schreiben und noch 66 Hektar am Tag brauchen. Von 30 Hektaren oder gar 20 sind wir also noch weit entfernt.

Derzeit ist nicht erkennbar, wie das Ziel erreicht werden könnte, zumal das Wachstum, das in Wirtschaft und Politik als oberste Maxime gilt, untrennbar mit Flächenverbrauch einhergeht.
Was tun?

Hier einige Lösungsvorschläge.

Erstens: Das Bauen ganz verbieten. Ernsthaft. Diese wohl radikalste und vermutlich einzig sinnvolle Lösung stammt von Daniel Fuhrhop, der ein Buch mit eben dem Titel „Verbietet das Bauen!“ geschrieben hat6. Fuhrhop argumentiert, was gebraucht wird, wurde gebaut.
Selbst die wirtschaftsfreundliche FAZ schreibt in ihrer Rezension „eine kenntnisreiche, erschreckende, aber dank vieler positiver Beispiele auch ermutigende Streitschrift“7.

Zweitens: Marktgerechte Preise. Baulandpreise für Gewerbe sind politische Preise, welche die tatsächliche Knappheit in keiner Weise widerspiegeln. Festgesetzt von den Kommunalverwaltungen, die glauben, unter Wettbewerbsdruck der Nachbargemeinden zu stehen.
So will zum Beispiel eine Gemeinde in Baden-Württemberg den Quadratmeter in einem neuen Gewerbegebiet für 50 Euro anbieten, wo doch schon die Erschließung angeblich 80 Euro pro Quadratmeter kostet. In derselben Gemeinde sind für einen Quadratmeter Bauland im Wohngebiet 150 Euro zu entrichten.
Vielleicht steht ja überhaupt das ganze Preissystem auf dem Kopf. Das eigentlich Wertvolle ist der fruchtbare Ackerboden. Berechnen wir doch für den 50 Euro/Quadratmeter und für Industriebauland 5 Euro. Das würde der Spekulation, ohnehin die wichtigste Triebfeder für das Bauen, den Boden entziehen.

Drittens: Wenn schon Gewerbe, dann richtig. Das heißt, vor allem Produktionsbetriebe.
Lebensmitteleinzelhändler, Steuerberater und Modegeschäfte gehören ins Zentrum der Gemeinden. Wobei hier auch anzumerken ist, dass sich viele Produktionsbetriebe gerade deshalb auf der „grünen Wiese“ neu ansiedeln, weil der Grund und Boden fast nichts kostet und das Bauen selbst ganz wenig. So haben sie die Chance, ihren Produktionsprozess kostengünstig neu zu organisieren.

Viertens: Flächenrecycling, wie das viele Naturschutzverbände fordern.
Ist aber teurer als Neubau, siehe Drittens.

Fünftens: Es heißt Industrie- oder Gewerbegebiet, nicht Industrie- oder Gewerbepark.

Sechstens: Landesgewerbegebiete. Das heißt, nicht mehr die Kommunen bieten Gewerbeflächen an, sondern das Land. So würden Standortwettbewerb wegfallen und Zersiedelung reduziert. Industriegebiete, also Gebiete für die Industrie, nicht für andere, siehe wieder drittens, würden gebündelt. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer würden auf alle Gemeinden im Land umgelegt. Zur Verkehrserschließung sollte auch der optimale Anschluss an das öffentliche Verkehrsnetz gehören.
Landesgewerbegebiete würden Erweiterungen in manchen Fällen schwieriger machen, dafür aber Neuansiedlungen erleichtern. Notfalls gingen auch Regions- oder Kreisindustriegebiete.

Der Unternehmer, der eine neue Halle braucht, könnte sie dann dort bekommen.

1 Wobei nicht die gesamte verbrauchte Fläche versiegelt ist, berücksichtigt man das Grün zwischen den Parkflächen.

2 faz.net, 24.03.2018: „Plädoyer gegen die Einfalt“
http://www.faz.net/aktuell/wissen/der-weltbiodiversitaetsrat-der-un-warnt-vor-dem-grossen-artensterben-15509674.html

3 Umweltbundesamt „Siedlungs- und Verkehrsfläche“
https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/siedlungs-verkehrsflaeche#textpart-1

4 NABU: 30 Hektar sind mehr als genug
https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/bauen/nabu-aktivitaeten/index.html

5 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
https://www.bmub.bund.de/themen/nachhaltigkeit-internationales/nachhaltige-entwicklung/strategie-und-umsetzung/reduzierung-des-flaechenverbrauchs/

6 Daniel Fuhrhop, Verbietet das Bauen!, Oekom Verlag, München, 2015

7 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.05.2016: „Bauverbot“

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