Visionen zur Verteidigung der Vaterländer

Schon mal einen „Mittelalter-Roman“ gelesen? Mit Rittern, Schwertkämpfen und so?

 

Mir kommt eine Szene aus einem dieser Romane, wie auch immer er hieß, in den Sinn: Einen Waffenschmied gelang es, ein ganz besonderes Schwert herzustellen. Der Ritter erkannte dies und hütete diesen Schmied und sein Knowhow wie seinen Augapfel. Gar nie sollte diese Schmiedekunst oder die Waffen in fremde Hände gelangen. Schon gar nicht in die Hände eines Feindes.

Und heute? Wir verkaufen unsere Waffen, die besten der Welt, in aller Herren Länder, ohne letztlich zu wissen, in wessen Hände sie gelangen.

Daraus sollten wir lernen und unsere Schwerter und andere Rüstungsgüter hüten wie unseren Augapfel. Drei Konsequenzen:

1. Verstaatlichung und Vergemeinschaftung der gesamten Rüstungsindustrie der Europäischen Union.

Die Idee ist nicht besonders originell. Das große Friedensprojekt der Einigung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg begann damit, dass die Montanindustrie, Kohle und Stahl, vergemeinschaftet wurde. Der Vorläufer der Europäischen Union war die „Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ (EGKS) oder kurz Montanunion genannt1.
Heute ist es an der Zeit, die gesamte Rüstungsindustrie der EU, gerne einschließlich Großbritanniens, zu verstaatlichen und zu vergemeinschaften.
Eine „Hohe Behörde“, wie das oberste Gremium der Montanunion hieß, soll an der Spitze einer „Europäischen Verteidigungsunion“ oder „Europäischen Rüstungsagentur“ (ERA) stehen und die Armeen der EU, vielleicht sogar eine gemeinsame, mit allen nötigen Waffen und Waffensystemen versorgen. Von der Handfeuerwaffe bis zum Kampfjet.

2. Keine Waffenexporte, keine Waffenimporte.

Wir bauen die besten Waffen der Welt ausschließlich für uns selbst.
Was sonst?
Für uns selbst heißt, ausschließlich für die Streitkräfte und Polizeikräfte der Mitglieder der Europäischen Union.
Keine einzige Patrone darf mehr nach außen gelangen. Damit entfiele vor allem die politisch heikle und letzlich nicht korrekt zu beantwortende Frage, wer unsere Waffen zu welchem Zweck erhalten soll. Nato-Partner? Verbündete? Staaten, die unsere Werte teilen? Staaten, Waffen für Angriffszwecke nutzen oder nur zur Verteidigung? Was immer „Verteidigung“ heißen mag. Staaten, die Waffen auf das eigene Volk richten? Dual Use? Gegenwärtig ist es so, dass auch Staaten, die unsere Werte nicht teilen, selbst die, die die Menschrechte mit Militärstiefeln treten, von uns großzügig mit Waffen versorgt werden.
Wir werden auch keine Waffen mehr importieren. Warum auch? Das Rüstungs-Knowhow Europas ist groß genug.

3. Arbeitsplätze auf dem heutigen Niveau halten.

Die Zahl der Beschäftigten in der Rüstungsindustrie der Europäischen Union wird auf dem derzeitigen Niveau stabilisiert. Diese Frauen und Männer, einfache Arbeiter und Ingenieure werden nicht mehr um ihre Arbeitsplätze bangen müssen, sie sind bei der ERA fest angestellt, quasi Beamte. Es ist wohl kaum übertrieben, wenn wir die Herstellung von solchen sensiblen Gütern wie Waffen ausschließlich besonders loyalen Menschen überlassen.
Sie werden auch ohne Exporte genügend zu tun haben. Allein die Streitkräfte der EU umfassen fast zwei Millionen Soldaten.

Das oberste Ziel der Rüstungsunion ist es, diese Kräfte mit modernen Waffensystem auszustatten und vor allem die Verfügbarkeit nahe 100 Prozent zu halten. Medienberichten zufolge, waren von 128 Eurofightern der Luftwaffe im Jahresdurchschnitt 2017 nur 39 einsatzbereit, zeitweise sollen es sogar nur ganze vier Flugzeuge gewesen sein2.
Gut, vielleicht verfolgt die Bundeswehr damit eine Strategie, welche an die Weisheit des Chinesen Sun Tsu (523 v. Chr.) angelehnt ist: „Jede Kriegsführung gründet auf Täuschung. Wenn wir also fähig sind, anzugreifen, müssen wir unfähig erscheinen;“3

Ein weiterer Grund, die Kräfte in Europa zu bündeln, ist die Vielfalt der Waffensysteme. Bei Panzern, so heißt es, verfügen die Mitglieder der EU 37 verschiedene Typen, die USA über 3. Bei Fregatten und Zerstörern 29 bzw. 4 und bei Kampfflugzeugen 20 bzw. 64.

Bei Kampfflugzeugen, immerhin, tut sich was. Frankreich und Deutschland wollen die nächste Generation dieser Waffensysteme gemeinsam entwickeln, Spanien schließt sich wohl an5.

Je mehr solcher Systeme gemeinsam entwickelt werden, desto besser funktioniert die Verteilung der Aufgaben und der Arbeitsplätze. Klar, dass nicht alle 28 EU-Länder am selben Flugzeug bauen können.

Vielleicht entsteht da eine gigantische Bürokratie und nichts funktioniert mehr. Allerdings ist es erschreckend, wie viel jetzt schon nicht funktioniert, obwohl alles einigermaßen privatwirtschaftlich organisiert ist. Verzögerungen und Verteuerung bei Waffensystemen sind gang und gäbe. Der „Eurofighter“ ist fast dreizehn Jahre im Verzug, das Transportflugzeug A400M ist fast neun Jahre. Der Schützenpanzer „Puma“ wird 50 Prozent teurer als geplant, die Fregatte 125 übersteigt die ursprünglich geplanten Kosten um 46 Prozent6. Honni soit qui mal y pense.

Das heißt nicht, dass mit einer gemeinsamen Rüstungsindustrie jegliche Konkurrenz ausgeschaltet wäre. Aber eben nur dort, wo es sinnvoll ist. Ob sich eine Truppe oder ein Truppenteil für eine Beretta, eine Glock oder eine Heckler und Koch entscheidet – sei’s drum. Bei Großwaffensystemen wie dem Kampfjet, dessen Entwicklung Milliarden kostet, ist es jedoch völlig unsinnig, mehrere Systeme parallel zu entwickeln.

Ebenso bei Kriegsschiffen. Vor allem Flugzeugträger. Soweit diese Waffensysteme überhaupt sinnvoll sind – kein Staat in Europa ist mehr in der Lage, so ein Großschiff alleine zu finanzieren. Wenn also Flugzeugträger, dann den europäischen.

Das wäre dann die Europäische Kriegsmarine, es folgt die Europäische Luftwaffe und schließlich das Europaheer. Es ist unsere Europäische Armee, die „Armee der Europäer“, wie sie jetzt von Macron und Merkel ins Gespräch gebracht wurde7.

Die Verteidigungsunion ist schon auf dem besten Weg8. Die Rüstungsunion sollte schnell folgen.

 

1 Wikipedia-Eintrag „Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl“
https://de.wikipedia.org/wiki/Montanunion

  1. spiegel.de, 2.05.2018: Luftwaffe hat nur vier kampfbereite „Eurofighter“
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-luftwaffe-hat-nur-vier-kampfbereite-eurofighter-a-1205641.html

3 aus „Die Kunst des Krieges“, zitiert nach Sara Paborn „Beim Morden bitte langsam vorgehen“, DVA, München, 2017

4 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.11.2018: „Europas Waffenindustrie bündelt ihre Kräfte“

5 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.12.2018: „Spanien schließt sich Kampfjet an – Deutsch-Französisches Rüstungsprogramm ausgeweitet“

6 spiegel.de, 9.12.2018: „Großprojekte der Bundeswehr mehr als fünf Jahre zu spät“
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-grossprojekte-mehr-als-fuenf-jahre-zu-spaet-a-1242761.html

7 sueddeutsche.de, 6.11.2018: Macron fordert „wahre europäische Armee“
https://www.sueddeutsche.de/politik/militaer-europa-verteidigung-1.4198669

8 zeit.de, 19.11.2018: EU-Staaten treiben Ausbau von Verteidigungsunion voran
https://www.zeit.de/news/2018-11/19/eu-staaten-treiben-ausbau-von-verteidigungsunion-voran-181119-99-883682