Schnapsidee

Vom 1. Januar 2020 an erhebt der Handel für jede verkaufte Glasflasche zehn Euro Pfand. Schnapsidee? Aprilscherz?

The neck of a broken green glass bottle lies on the street

Es gibt Leute, die nennen unser Zeitalter Anthropozän. Das heißt, der Mensch gestaltet die Erde auf brachiale Art und Weise um und hinterlässt seine Spuren.
Neulich hatten welche die Idee, die deutlichste Spur, die darauf hinweist, sei das Huhn1.
Auch das CO2 ist ein herausragendes Merkmal. Am „anthropogenen“ – also von Menschen verursachten Klimawandel – gibt es keine ernstzunehmenden Zweifel. Es wird richtig warm.
Ein deutliches Zeichen für die Anwesenheit des Menschen ist heute und für die nächsten zehntausend Jahre das viele Plastik, vor allem im Meer.
Nun habe ich eine weitere, ewig sichtbare Menschenspur auf diesem Planeten gefunden: die Glasflasche.
Sie verrottet praktisch gar nicht. Jedenfalls nicht nach menschlichen Maßstäben2. Diese Eigenschaft teilt sie sich mit Atommüll, nur ist der nicht ganz so häufig zu finden und wenn, dann meist tief unter der Erde.
Die Flasche ist überall.
Keinen Schritt kann man gehen, ohne dass man auf eine Flasche stößt. Böschungen und Bahngleise sind voll davon. Auf Feldern und in tiefen Wäldern – Flaschen. Meist in den üblichen To-go- und To-throw-Größen 0,3 und 0,02 Liter. Neulich hat irgendein kleiner, dummer, fauler Feigling einen ganzen Karton 0,02-Liter-Flaschen auf dem Bahnhofsparkplatz ausgekippt, wo mein Auto tagsüber steht.
Das ist schade. Denn hier handelt es sich nicht nur um eine Umweltsauerei, sondern um den Verlust eines wichtigen Rohstoffs. Glas ist im Grunde vollständig recyclebar.
Im Gegensatz zu Plastik. Plastik ist praktisch gar nicht recyclebar, also im Sinne eines geschlossenen Kreislaufs, an dem am Ende wieder der ursprüngliche, wertvolle Augangsstoff steht.
Daher lohnt sich das Sammeln von Glas. Die Recyclingquote ist schon recht hoch, in Europa liegt sie bei rund 60 Prozent3.
Das Problem sind die restlichen 40 Prozent, vor allem wenn sie in Scherben zerschlagen auf dem Radweg liegen oder in Wäldern Brände auslösen können.
Daher jetzt die Schnapsidee, bzw. nur heute, der Aprilscherz: Für jede Flasche, ob groß oder klein, ob Schnaps, Bier, Milch oder Bioapfelsaft, muss der Handel ein Pfand von zehn Euro verlangen.
Das hätte einen Nachteil. Der Bargeldeinsatz würde sich etwas erhöhen, vor allem, wenn man Mineralwasser kistenweise kauft. Aber ein Pfand ist ja nur ein Pfand. Mit Geld-zurück-Garantie.
Das konsequente Umsetzen dieser Schnapsidee hätte viele Vorteile. Flaschen würden die Umwelt nicht mehr belasten, die Kosten der Stadtreinigung würden sinken, die Recyclingquote würde gegen 100 Prozent gehen, die Wertschätzung für die Glasflasche als Rohstoff würde steigen.
Die Leute, die auf Festen und Feiern, auch Weihnachtsmärkten Getränke verkaufen, machen das so. So brauchen sie den Kunden, die sich volllaufen lassen, nicht nachzulaufen und haben danach keinen Scherbenhaufen. Da Getränkemärkte, das Pfandsystem existiert ja ohnehin schon, dann ihr Leergut richtig absichern müssten, würde die Qualität des Rohstoffes deutlich steigen. Die Industrie, die vom farblich sauber sortierten Glas profitiert, könnte höhere Preise bezahlen.
Das Verhältnis von Pfand zum Warenwert wäre bisweilen höchst unterschiedlich. Bei der 0,02-Liter-Likörflasche zu ca. 50 Cent wären 10 Euro im Verhältnis recht viel. Vielleicht würde es aber auch gerne im Auto feiernde Menschen davon abhalten, den 30-Flaschen-Karton zu kaufen, für den dann immerhin zunächst 300 Euro hinzublättern wären. Andere, die sich an Scotch Whisky für 10.000 Euro die Pulle erfreuen, wären nicht direkt darauf angewiesen, das Leergut gleich wieder zurück zu bringen.
In einem weiteren Schritt vorwärts könnte man die Hersteller mit ein bisschen Nudging4 dazu bringen, Getränke nicht mehr in Plastik- oder Blechbehältnisse abzufüllen, sondern ausschließlich in Glas.
Doch das wäre eine weitere Schnapsidee.
1 Wir leben im Zeitalter des Broilers (Brathähnchens) http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/sex-im-alter-sex-mit-robotern-huehnchenknochen-als-archaeologisches-vermaechtnis-anthropozaen-a-1243608.html

2 Man geht von einer Million Jahre aus.

https://www.ajoure.de/lifestyle/umwelt/so-lange-dauert-es-wirklich-bis-dein-muell-verrottet/

3 Glas-Recycling

https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/chemie-abitur/artikel/glas-recycling

4 Wie das geht erklärt am besten Monty Python