Sie wissen nicht was sie reden. Politiker, wie zum Beispiel AKK oder JRM.
Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) sagte kürzlich, die einzigen, die Schengen derzeit perfekt nutzen, seien kriminelle Elemente und nicht die Sicherheitsbehörden1. Das ist ungefähr so wahr, wie die Behauptung, das Münchner Oktoberfest diene nur Zechprellern und Taschendieben.
Was haben wir vergessen? Einerseits die Millionen, die ihre Gaudi auf der Theresienwiese haben, andererseits die Millionen Bürger – Pendler, Reisende, Ausflügler – die vom Wegfall der Binnengrenzen profitieren.
Jacob Rees-Mogg (JRM) ist Abgeordneter der Konservativen Partei im britischen Unterhaus, Befürworter eines „harten“ Brexit, Widersacher von Theresa May und somit so etwas wie der oberste Brexiteer.
Brexiteer? Das soll wohl an „Peer“ erinnern, an den britischen Adel, und dem Brexit etwas Edles verleihen. Wir sollten aber ehrlicherweise von Brexiters sprechen. Tatsächlich ist der Brexit ein Oberschichtenprojekt von Leuten wie JRM, Boris Johnson und Nigel Farrage, die daran ihren Spaß wie an einem Pferderennen haben und andere mit populistischen Sprüchen ködern. Denn was ist „edel“ oder „adlig“ daran, seinen gewöhnlichen Landsleuten, die in Europa leben, frei reisen und arbeiten wollen, das Leben schwer zu machen?
Der Deutschlandfunk sendete kürzlich eine Glosse, die daran erinnert, was eine Grenze ist – wie sie nach dem von JRM betriebenen „harten“ Brexit Realität würde. Familie Miller aus GB, sie, er, zwei Kinder plus Hund, will mit dem Auto auf den Kontinent. Da stehen sie dann vor einem französischen Grenzpolizisten, der die Pässe kontrolliert und dann fragt:
1. Grüne Versicherungskarte für das Fahrzeug? Millers haben keine. Diese brauchte man zuletzt vor 1973, bevor Großbritannien der EU beitrat oder für Reisen in den damaligen Ostblock.
2. Internationaler Führerschein? Hat Herr Miller auch nicht.
3. Impfzeugnis für den Hund. Haben Millers ebenfalls nicht.
Die Einreise in die EU wird nicht mehr so ganz einfach von statten gehen, wobei die schlimmsten „Grenzschikanen“, die Zöllner, die nach Belieben Auto und Gepäck auseinander nehmen können, noch gar nicht erwähnt sind.
Unerwähnt blieb bisher auch die Tatsache, dass der Brexit die Wirtschaft, vor allem die britische, durch Zollgrenzen, Zöllner und Zölle schwer belastet. Wie die Familie Miller müssen Unternehmen ebenfalls zusätzliche Dokumente für ihre Exportgeschäfte beibringen. Das gilt für beide Seiten des Kanals. Und da die EU-Länder mit großem Abstand die wichtigsten Absatzmärkte für britische Unternehmen sind, muss man sich schon fragen, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, diesen freien Markt aufzugeben. Auch aus den Freihandelsabkommen, die die Europäische Union mit allen wichtigen Partnern geschlossen hat, wie zuletzt mit Japan, sind die Briten vermutlich draußen.
Außerdem stellt sich die Frage, was die Brexiters überhaupt wollen. Klar ist, was sie nicht wollen. Das Unterhaus hat am 28. März gegen acht Brexit-Alternativen gestimmt, was der Guardian2 in die schöne Titel-Schlagzeile „No. No. No. No. No. No. No. No.“ brachte. Und am 2. April noch einmal gegen vier Vorschläge. No. No. No. No.
Zu sagen was man will, ist eben schwieriger als das zu sagen was man nicht will. Daher gibt es im Deutschen Bundestag keine Möglichkeit den Bundeskanzler abzuwählen, sondern nur die Möglichkeit, einen neuen Bundeskanzler zu wählen, was sich „Konstruktives Misstrauensvotum“ nennt.
Bei der Abstimmung am 2. April lehnte es das Unterhaus auch ab, ein zweites Referendum durchzuführen. Dabei ist dieser Weg vermutlich der beste. Das hat kürzlich jemand mit einem Softwareprogramm verglichen.
Wer auf „Löschen“ klickt, wird nicht selten gefragt: „Wollen Sie wirklich löschen?“
Also: „Wollen Sie wirklich austreten?“
Austritt bedeutet „Grenze“, ein Hindernis, das wir innerhalb der EU eigentlich überwinden wollten. An „Schengen“, also der Abschaffung der Grenzkontrollen hat Großbritannien ohnehin nur eingeschränkt teilgenommen. Dennoch genießen seine Bürger die volle Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union.
Das sollten wir erhalten, selbst wenn ein paar Kriminelle davon profitieren. Wenn wir uns daran orientieren, können wir den Laden gleich dicht machen. Und die Grenzen.
1 faz.net, 15.03.2019
https://www.faz.net/aktuell/politik/denk-ich-an-deutschland/akk-kriminelle-nutzen-schengen-derzeit-perfekt-behoerden-nicht-16090743.html
2 meedia.de, 28.03.2019
https://meedia.de/2019/03/28/nein-nein-nein-nein-nein-nein-nein-nein-so-sarkastisch-titelt-der-guardian-zum-brexit-abstimmungs-chaos/