Ein Lob des Landregens

 „Schlechtes“ Wetter“ – was ist das denn?


Blöde Frage! Wenn es regnet, ist das „schlechtes“ Wetter, scheint die Sonne, ist es „schön“. Der moderne Mensch jedoch leidet (unter anderem) unter einer ausgeprägten „Schlechtwetterunverträglichkeit“. Die Spaßgesellschaft verträgt keinen Regen.

Von der Sonne geblendet übersehen wir ein Problem: Seit einigen Jahren ist das Wetter viel zu gut. Zu viel Sonnenschein ist auch schlechtes Wetter. Heute können das die meisten gar nicht mehr nachvollziehen. Das Grillfest, die Tour mit dem Motorrad, eine Spazierfahrt mit dem Cabriolet – das ist scheinbar wichtig.

Wichtiger wäre, es würde ausreichend regnen. Das ist statistisch zwar der Fall, laut Kachelmann1 eher mit steigender Tendenz, dennoch herrscht in vielen Teilen Deutschlands eine ausgeprägte Dürre.

Am „Dürremonitor“ des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig (UFZ) kann man sehen, wie ernst die Lage ist2. Demnach herrscht praktisch im ganzen Land Trockenstress, von wenigen ganz kleinen Regeninseln abgesehen. In einem Großteil Deutschlands, es könnte bereits die halbe Fläche betreffen, herrscht was die Wissenschaftler vom UFZ eine „extreme bzw. außergewöhnliche Dürre“ nennen.

Für die Bauern ist die Lage kritisch, für die Waldbesitzer eine Katastrophe. Die Bestände sind gefährdet, weil vor allem die Fichte, die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wichtigste Holzart in Deutschland, kaum noch ein erntereifes Alter erreicht. Neue Pflanzungen mit trockenresistenteren Baumarten und Baummischungen gelingen immer seltener, weil dafür schon die Feuchtigkeit im Boden fehlt. Verheerend ist die Lage im Unterboden bis 1,80 Meter Tiefe – also im Wurzelbereich der Bäume3.

In Deutschland sollten in etwa 800 Liter Regen pro Quadratmeter und Jahr fallen4. Dabei gibt es Jahre, in denen es mal mehr und mal weniger regnet, ebenso Gegenden und Monate, beziehungsweise Jahreszeiten. Dabei kommt es aber nicht allein darauf an, wie viel, wo und wann es regnet, sondern es kommt vor allem darauf an, wie es regnet. Nehmen wir den Extremfall: Fallen die 800 Liter in einem Monat, fließt das meiste davon oberirdisch ab, führt zu Überschwemmungen und Erosion (tatsächlich liegt der Rekord in Deutschland bei fast 800 Litern/Monat5). Das nützt uns recht wenig. Wichtig ist, welche Mengen der Boden aufnehmen kann, so dass der Grundwasservorrat steigt und Pflanzen genügend Wasser zur Verfügung haben. Wenn im Winter viel Schnee fällt, sollte die Frühjahrswärme dafür sorgen, dass das Schmelzwasser langsam im Boden versickert. Das ist vor allem für den Wald von Bedeutung.

Freilich kann auch zu viel Regen schaden. Wenn die Felder zwischen Mai und September unter Wasser stehen, ist das nicht gut. „Ist der Maien kühl und nass, füllt’s dem Bauern Scheun‘ und Fass“, lautet die Bauernregel – aber eben nur im Maien. Eine slowenische Bauernweisheit besagt, Dürre nehme dem Bauern ein Brot, Nässe zwei. Kann heute noch jemand die Sorge des Bauern nachvollziehen, wenn während der Heuernte ein Gewitter droht? Kennt das noch jemand, wenn der Ackerboden nach einem Platzregen hart wie Beton ist?

Daher ist die schönste Form des Regens der Landregen. Schon das Wort klingt fremd. Kann es sein, dass es das früher öfters gab? Wir sprechen von einem lang anhaltenden, manchmal tagelangen, gleichmäßigen, nicht sehr starken, aber ergiebigen Regen. Ein Regen, der sachte fällt, der nichts fortschwemmt und nichts überschwemmt. Den die Erde aufsaugt. „Sanft falle Regen auf deine Felder…“ heißt es in einem Lied von Markus Pytlik, dessen Text auf einen Reisesegen aus Irland zurückgeht. In der Bretagne können die Leute angeblich 1000 verschiedene Arten des Regens auseinander halten, wie man aus den Krimis von Jean-Luc Bannalec gelernt hat. In Slowenien sagt man „praši“ wenn ein feiner Nieselregen fällt, was witzigerweise wörtlich übersetzt „es staubt“ bedeutet. Und die Vorstellung, dass es in Südkalifornien nie regnet, ist doch eine grauenhafte6. Oder?

Bild von SplitShire auf Pixabay.

 

 

1 Niederschlagsentwicklung in Deutschland seit 1881
https://wetterkanal.kachelmannwetter.com/niederschlagsentwicklung-in-deutschland-seit-1881/

2 Dürremonitor
https://www.ufz.de/index.php?de=37937

3 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.04. 2020: „Verheerende Dürre“

4 Wikipedia-Eintrag „Klima in Deutschland“
https://de.wikipedia.org/wiki/Klima_in_Deutschland#Niederschlag

5 wasser-wissen.de – Das Internetportal für Wasser und Abwasser
http://www.wasser-wissen.de/abwasserlexikon/r/regenmenge.htm

6 Der Text des Songs „It Never Rains in Southern California“ von Albert Hammond ist eher metaphorisch zu verstehen. Tatsächlich aber gab es eine historisch außergewöhnliche Dürre in Kalifornien (California Draught). Siehe Wikipedia-Eintrag „Dürre in Kalifornien 2011-2017“
https://de.wikipedia.org/wiki/D%C3%BCrre_in_Kalifornien_2011%E2%80%932017

Wobei es Gegenden gibt, in denen es tatsächlich nie regnet. Siehe Punkt 5.

Lesetipp:

Christian Stöcker: Der Wald vertrocknet, die Regierung zündelt
(Spiegel online, 5.07.2020)