…dann habe ich die Welt gerettet

Der Ökothriller von Dirk Rossmann.

„Der neunte Arm des Oktopus“ – so heißt das zweite Buch1 von Dirk Rossmann. Der Titel des ersten lautete „…dann bin ich auf den Baum geklettert“, die Autobiografie2 des Inhabers einer Drogeriemarktkette.
Das neue Buch ist ein Thriller vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Klimakrise: ein Ökothriller.

Ein Thriller verheißt Thrill, das heißt Nervenkitzel und Spannung. Aber selbst ein Thriller braucht eine Art sachlichen Hintergrund. Personen und Handlung können fiktional sein, es muss aber eine reale Kulisse geben. Wenn das nicht der Fall ist, sind Thrill und Action irgendwie sinnlos.

Ein Beispiel. Vor kurzem habe ich von Chris Landow „Parceval – Auf der Flucht“ gelesen3. Großartig! Ralf Parceval war Beamter bei der Bundespolizei und gerät zwischen die Fronten zweier verbrecherischer Clans. Action pur! Aber: Sachlicher Hintergrund ist die Lage in Afghanistan. Ein Polizeioffizier von dort, zur Ausbildung in Deutschland, und Ralf Parcevals Schwester Birgit heiraten und ziehen nach Kunduz. Seiner Schwester und seiner Nichte zuliebe geht Parceval mit und wird Ausbilder4 der dortigen Polizei. Dann richten die Taliban ein Massaker in der Polizeischule an und verschleppen die Angehörigen der Polizisten. Parceval spürt seiner Schwester und seiner Nichte nach. In einem der kriminellen Clans in Deutschland findet Parceval einen Informanten, der ihm möglicherweise etwas über deren Schicksal sagen kann. Die Sache nimmt ihren atemberaubenden Lauf und der Leser erfährt nebenbei einiges über Lage und Leben in Afghanistan. Ich würde sagen: 10 Prozent Sachbuch, 90 Prozent Thriller.

Im Thriller von Dirk Rossmann ist es umgekehrt: 90 Prozent Sachbuch,
10 Prozent Thriller, gefühlt, ohne jetzt Seiten gezählt zu haben. Hintergrund nach Art eines Sachbuchs ist hier die Klimakrise. Die Regierungen Chinas, Russlands und den USA haben eingesehen, dass es so nicht mehr weiter geht. Sie beschließen drastische Maßnahmen, die menschengemachte, fatale Erderwärmung zu stoppen und erwarten das auch von anderen Staaten. Doch Brasilien widersetzt sich. Ausgerechnet Brasilien, auf dessen Territorium die „grüne Lunge“ des Planeten liegt, der Amazonas-Regenwald. Man macht einfach so weiter: abholzen, kahlschlagen, niederbrennen. Die drei Großmächte drohen mit militärischer Gewalt. Doch bluffen sie nur? Verfügt Brasilien über eine Geheimwaffe? Gelingt es einem Koch, das Komplott finsterer Mächte zu verhindern?

Doch, ja, Rossmann kann auch Action. Sprengkraft hat jedoch der Sachbuchhintergrund. Endlich nehmen die führenden Weltmächte die dramatische Klimakrise ernst. Der Autor baut außerdem die jüngsten Großereignisse der globalen Politik mit ein: Die Corona-Pandemie und der Wahlsieg von Joe Biden und Kamala Harris in den USA. Letztere ist dann die Heldin, die Klimaheldin. Dazu muss man wissen, dass Rossmann seinen Roman in der Zukunft spielen lässt. Das meiste ereignet sich 2025, einiges im Jahr 2100, in dem eine Gruppe von Wissenschaftlern auf das Geschehen von 2025 zurückblickt.

20. Januar 2025: Kamala Devi Harris zieht als erste Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika ins Weiße Haus ein. Eine Schlüsselszene des Buchs ist ihre Rede zur Amtseinführung, die der Autor auf 16 Seiten komplett antizipiert – vielleicht die Szene mit dem größten Thrill-Faktor. Harris zählt sechs Maßnahmen auf, die entscheidend für die Rettung der Welt sind.
Erstens: den Fleischkonsum senken.
Zweitens: die Fahrleistung der Autos beschränken.
Drittens: weniger Energieverbrauch im Wohn- und Gewerbebereich.
Viertens: das Flugaufkommen reduzieren.
Fünftens: innovative Technologien.
Sechstens: das größte Wiederaufforstungsprogramm der Geschichte.
Und das alles vor dem Hintergrund, von Kohle, Öl und Gas wegzukommen und voll auf regenerative Energien zu setzen.

Außerdem sagt Kamala Harris, die Umsetzung dieser Ziele koste viel Geld, und könne nicht auf den Schultern des ärmeren Teils der Bevölkerung ausgetragen werden. Sie zitiert den Satz: „Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer.“ Steht da in kursiver Schrift.

Interessant ist auch ein Gespräch der Wissenschaftler im Jahr 2100, wo es heißt, Mitte der Zwanzigerjahre des einundzwanzigsten Jahrhunderts (das wäre also demnächst, schreibt hier der Rezensent) habe für viele Menschen die Zeit der Einschränkungen begonnen. Private Reisen zum Vergnügen würden kaum noch erlaubt. „Autos zum Beispiel, die als übermotorisiert galten, wurden verboten“ (schreibt der Autor Dirk Rossmann).

Das also sind die Ansichten des Autors Dirk Rossmann, im Gewand eines Thrillers. Ein Thriller, um die Welt zu retten?

Unbedingt! Nachdem Schüler mit Fridays4future5 den Stein ins Rollen brachten, gibt es nun unter anderem Wissenschaftler und Unternehmer, die ebenfalls etwas tun wollen. Warum sollten Journalisten und Schriftsteller nicht mitmachen? Je mehr Leute etwas tun, deren Stimme in der Gesellschaft etwas zählt, desto besser.

Rossmann schreibt über Rossmann im Epilog, er habe sich seit geraumer Zeit große Sorgen um die Zukunft des Planeten Erde gemacht. „Und dabei wollte er es nicht belassen; er wollte etwas tun.“

Jeder kann etwas tun, jede und jeder kann ihren/seinen Beitrag dazu leisten, die Welt zu retten6.



1 Dirk Rossmann, „Der neunte Arm des Oktopus“, Bastei Lübbe, Köln, 2020

2 Dirk Rossmann, „…dann bin ich auf den Baum geklettert“, Ariston Verlag in der Verlagsgruppe Random House, München, 2018

3 Chris Landow, „Parceval – Auf der Flucht“, Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House, München, Januar 2020 (der zweite Teil der Trilogie – zuerst gelesen!)
Erster Teil: „Parceval – seine Jagd beginnt“, Januar 2019
Dritter Teil: „Parceval – Spiel mit dem Feuer“, Januar 2021

4 Das German Police Project Team (GPPT): Einsatz in Afghanistan
https://www.bmi.bund.de/DE/themen/sicherheit/nationale-und-internationale-zusammenarbeit/internationale-polizeimissionen/internationale-polizeimissionen-node.html


5 Natürlich ebenso Schülerinnen, Wissenschaftlerinnen, Unternehmerinnen, Journalistinnen und Schriftstellerinnen.
Sieh‘ da:
https://fridaysforfuture.de/

https://journalistsforfuture.org/

https://www.autorenwelt.de/blog/branchen-news/writers-future-unterstuetzen-fridays-future


6 „Gutmenschen und Weltverbesserer – wehrt Euch!“
zum Beitrag geht es hier


Foto von Cesar Aguilar von Pexels
(es zeigt einen in Südamerika heimischen Riesentucan (Ramphastos toco))