Seltene Hölzer

Eine neue Rohstoffknappheit steht bevor.


Seltene Erden sind bekannt. Bis vor ein paar Jahren wussten allerdings nur Chemie-Nerds etwas damit anzufangen. Erst seit Metalle wie Neodym oder Lanthan in wichtigen Zukunftstechnologien zur Anwendung kommen, hat sich in High-Tech-Deutschland die bange Erkenntnis verbreitet, dass wir etwas in großen Mengen brauchen, das wir nicht haben.

Seltene Hölzer gibt es ebenfalls. Das sind zum Teil einheimische Holzarten wie Elsbeere, Rüster (vor allem gemasert) oder Buchsbaum. Raritäten der Tropen sind Fernambukholz1 oder Adlerholz.

Neu ist, dass die einheimischen Hölzer, von denen wir derzeit scheinbar im Übermaß haben, knapp werden könnten – Fichte, Tanne, Buche, Eiche. Das hat einen einfachen Grund: Die Nachfrage steigt tendenziell, das Angebot sinkt.

Zur steigenden Nachfrage gibt es einiges zu sagen. Der letzte Schrei unter Architekten ist das mehrstöckige Holzhaus. Als so genanntes „Fertighaus“ hat Holz im Einfamilienhausbau schon lange Konjunktur. Holzbauten haben viele Vorteile: Sie gelten als „ökologisch“, da es sich um einen von Natur aus gut wärmedämmenden, nachwachsenden Rohstoff handelt. Er soll außerdem Beton ersetzen, bei dessen Herstellung enorm viel CO2 entsteht. Folglich gibt es immer mehr Häuser aus Holz, wovon anscheinend genug da ist. Der Beitrag in einem Nachrichtenmagazin2 zu diesem Thema beginnt mit dem Satz: „Alle zwölf Sekunden wachsen in Deutschland genug Bäume für ein neues Wohnhaus nach“.

Doch selbst auf einer „Betonbaustelle“ geht ohne Holz gar nichts. Es ist als Hilfsmittel unersetzlich, meist zum Verschalen.

Der nächste große Bereich, der Unmengen von Holz, bzw. Zellstoff, verschlingt, ist die Verpackung. Das liegt zum einen am Boom des Versandhandels, bei Privatverbrauchern, im Handwerk und in der Industrie. Zum anderen sollen Papier und Pappe, die immerhin teilweise recyclingfähig sind, andere Packstoffe ersetzen, vor allem Plastik und Styropor. Der Papierverbrauch in Deutschland ist weltweit einer der höchsten. Zwar lesen immer weniger Leute Zeitung, dafür schüttet uns der Handel mit Prospekten3 zu.

Ein dritter Bereich mit Riesennachfrage ist das Heizen. Öfen verschlingen tatsächlich immer mehr Holz. Zwar liegt die Zahl der Holzöfen in Deutschland4 wohl konstant bei rund elf Millionen, die Zahl der Pelletheizungen aber ist explodiert. Um das Jahr 2000 tauchten die ersten Heizungen dieser Art auf, heute gibt es in Deutschland rund 500.0005 davon. Wieder gilt Holz hier als umweltfreundlich und klimaneutral, was aber, bei Licht betrachtet, nicht immer so ist6. Dennoch fördert der Staat (Bafa, KfW) den Einbau einer Pelletheizung, wahrscheinlich weil sie meist die Alternative zur Ölheizung ist, über deren Umweltverträglichkeit man nun wirklich nichts sagen muss.

Holz als Brennstoff soll künftig sogar noch eine viel größere Rolle spielen. In der Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2021) ist geplant, das jährliche Ausbauziel von Strom aus Biomasse von 200 auf 600 MW/Jahr zu erhöhen7.

Dagegen regt sich Widerstand. Zwei Dutzend Naturschutzverbände, die alle etwas mit Wald zu tun haben, wenden sich dagegen. Ihrer Ansicht nach ist Holz-Biomasse als Brennstoff unter anderem problematisch, weil das Verbrennen nicht „klimaneutral“ sei, weil ausländische Hölzer zum Einsatz kommen und weil in deutschen Wäldern noch mehr Einschlag das Waldökosystem weiter schwächen würde8. Da wundert sich nun die eine oder der andere, warum Holz plötzlich nicht mehr klimaneutral sein soll. Es hat mit dem Faktor „Zeit“ zu tun. Angenommen, wir verwenden die guten Buchenscheite für das Heizen der Stube. Dann setzen wir in relativ kurzer Zeit durch Verbrennen das CO2 frei, das eine ausgewachsene Buche in bis zu 300 Jahren9 im Laufe ihres Lebens eingelagert hat. CO2-Aufnahme und -Abgabe halten sich in etwa die Waage. Klimaneutral ist, wenn das Holz dauerhaft Verwendung findet und erst am Ende eines Lebenszyklus im Ofen landet. Wird ein Holzhaus hundert Jahre genutzt, dann wachsen in dieser Zeit wieder Fichten für ein neues Holzhaus nach.

Schließlich will ich in Sachen Holznachfrage nicht unerwähnt lassen, dass ein schwedisches Unternehmen aus Möbeln, die ursprünglich sehr langlebige Güter waren, Mode- und Wegwerfartikel gemacht hat. Oft zum Schaden der borealen Nadelwälder.

Also: Immer mehr Holzhäuser, Baustellen, Verpackung, Papier, Öfen, Wegwerfmöbel – kann das Holzangebot da mithalten?

Der Holzverbrauch liegt in Deutschland bei rund 140 Millionen Kubikmeter. Der Holzeinschlag variiert von Jahr zu Jahr und liegt in etwa zwischen 50 und 70 Millionen Kubikmeter. 2019 waren es 68 Millionen Kubikmeter. Einen großen Teil des Verbrauchs decken wir durch Importe10.

Das Problem: Die Jahre 2018 und 2019 (2020 und 2021 vermutlich ebenso) waren für die deutsche Forstwirtschaft Ausnahmejahre. Von den 68 Millionen Kubikmetern waren 46 Millionen Kubikmeter Schadholz11. Im Wesentlichen entfielen davon fast 40 Millionen Kubikmeter auf eine Holzart, die gerade besonders unter Stress steht: die Fichte.

Die Fichte ist der sogenannte „Brotbaum“ der deutschen Forstwirtschaft, der 90 Prozent der Erträge aus dem Holzverkauf bringt12. Die Fichte ist nämlich genau der Baum, der am meisten Holz liefern kann: für das Bauen, für die Baustelle, die Zellstofffabrik und die Öfen.

Eine so genannte Fichtenmonokultur.

Die Fichte leidet derzeit vor allem unter der Trockenheit und dem Befall durch Borkenkäfer. Betroffen sind vor allem Monokulturen, die gezielt der Rohstoffversorgung dienen sollten. Diese Bäume fallen derzeit massenhaft. Unter der Trockenheit leidet der gesamte Wald, wie ein Blick auf den „Dürremonitor“ zeigt13. Demnach sind vor allem die für den Wald wichtigen tieferen Bodenschichten ungewöhnlich trocken. Die Fichte ist davon besonders betroffen, weil sie eher die Feuchtigkeit liebt.

Zwei weitere Baumarten, die in Deutschlands Wäldern weit verbreitet waren, verabschieden sich gerade ganz: die Ulme und die Esche14. Der Grund hierfür ist Pilzbefall. Die beiden Arten werden vermutlich nicht ganz ausgerottet, sie werden Resistenzen bilden – für die Forstwirtschaft sind die beiden Arten aber auf lange Zeit verloren.

Die Erwartungen an den Wald steigen dennoch weiter. Er soll nicht nur immer mehr Holz liefern, er soll zusätzlich dazu beitragen, die von uns verursachte Klimakrise zu lösen. Dazu müsste er aber eigentlich in Ruhe gelassen werden.

Wälder schenken uns Ruhe und Erholung, jetzt ist es an der Zeit, dass wir ihnen Ruhe und Erholung schenken. Derzeit denken Waldbesitzer und Förster fieberhaft darüber nach, was sie auf den Kahlschlagflächen, wo früher Fichten standen, pflanzen sollen. Gewiss, es gibt Baumarten, die Trockenheit besser vertragen, die Frage ist nur, ob das als Strategie taugt. Unsere Projektionen hinsichtlich Erderwärmung reichen maximal bis zum Jahr 210015. Der Erntezeitpunkt heute gepflanzter Bäume liegt weit danach. Bei der Fichte müssen Waldbesitzer 80 bis 120 Jahre warten, bis der Baum das sogenannte „Umtriebsalter“ erreicht. Bei den Laubbäumen Buche und Eiche, die als Alternative gelten, dauert es sogar 120 bzw. 180 Jahre, bevor man daran denken kann, eine Motorsäge anzusetzen. Allerdings sind Eichen und Buchen prinzipiell kein Ersatz für schlanke Fichten.

Vielleicht sind es diese fünf Handlungsoptionen, die für den Wald der Zukunft taugen. Erstens: Nichts tun. Wald wächst in Deutschland von alleine. Kahlschlagsflächen sollte man einfach sich selbst überlassen. Was dann von alleine kommt, wird wohl robust genug sein, die nächsten Jahrzehnte zu überdauern. Zweitens: Experimentieren. In die Kahlschlagsflächen kann man ja die eine oder andere Baumart setzen, die „wärmeliebend“ ist – von der Türkischen Tanne bis zur Silberlinde16. Die Forstämter führen „Baumarteneignungskarten“. Ob es gut ist, fremde Arten gezielt einzuführen, die sonst als „invasiv“ gelten, ist eine andere Frage. Drittens: Mehr Wald pflanzen17. Anders werden wir die multiple Krise vermutlich nicht meistern können. Viertens kann man von der Seite „Deutschland und die UN-Nachhaltigkeitsagenda“, wo es heißt, wir würden auch beim Holz über unsere Verhältnisse leben, diesen Satz problemlos übernehmen: „Weniger verbrennen, den Papierverbrauch halbieren und mehr Holz wiederverwenden wären dringend geboten“18.

Schließlich fünftens: Wenn es irgendwo in Deutschland noch eine kühle, feuchte Ecke gibt, würde ich folgendes pflanzen – Fichten, Fichten, Fichten. Mit der einen oder anderen Fichtenmonokultur sollten wir es schon noch versuchen. Nicht weil sie ökologisch besonders wertvoll wäre, sondern weil die Bäume, die darin wachsen, etwas ganz Besonderes sind. Wer weiß schon, was in 150 Jahren sein wird. Vielleicht zählen dann die hohen, schlanken Fichten, wie sie eben fast nur in den Kulturen wachsen, zu den seltenen Hölzern.

Unten ein Durchmesser von 15 cm, oben 5 cm, bei einer Länge von 15 Metern –
das kann nur die Fichte.



1 Tropenhölzer: edel und hart
https://www.faszination-regenwald.de/info-center/allgemeines/tropenhoelzer/

2 Spiegel (plus) online, 29.01.2021: „Wie die Betonlobby gegen Holzhäuser kämpft“
https://www.spiegel.de/wirtschaft/holzhaus-boom-in-deutschland-ein-astreines-geschaeft-doch-die-betonfraktion-mauert-a-00000000-0002-0001-0000-000175089064

3 siehe auch „910 Gramm Prospekte

4 topagrar.com, 4.03.2019: „Heizen mit Holz“
https://www.topagrar.com/energie/news/zahl-der-holzoefen-in-deutschland-seit-jahrzehnten-konstant-10369957.html

5 Statista, 7.05.2020: Pelletheizungen in Deutschland
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/171886/umfrage/anzahl-der-pelletheizungen-in-deutschland/

6 br.de, 6.11.2019: „Schlechte Klima-Bilanz für Holzpellets“
https://www.br.de/nachrichten/wissen/schlechte-klima-bilanz-fuer-holzpellets,Rh2umI1

7 Haupstadtbüro Bioenergie, 17.12.2020: Informationspapier – Wichtigste Neuregelungen zur Biomasse im EEG 2021
https://www.hauptstadtbuero-bioenergie.de/aktuelles/positionspapiere/wichtigste-neuregelungen-zur-biomasse-im-erneuerbare-energien-gesetz-eeg-2021

8 Plattform Wald Klima
https://plattform-wald-klima.de/

PDF: Gemeinsame Stellungnahme „Kein Raubbau im Wald für eine falsche Energiewende (24.11.2010)
https://plattform-wald-klima.de/material/

9 Wald-Prinz, 5.06.2013: Umtriebszeit – wie lange ein Baum zur Hiebsreife benötigt
http://www.wald-prinz.de/umtriebszeit-wie-lange-benotigt-ein-baum-bis-zur-hiebsreife/3697

10 Umweltbundesamt: „Holzeinschlag in Deutschland“
https://www.umweltbundesamt.de/bild/holzeinschlag-in-deutschland

Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), FAQ
https://www.sdw.de/waldwissen/wald-faq/index.html

Deutschland und die UN-Nachhaltigkeitsagenda: Holzverbrauch – weniger wäre nachhaltiger
https://www.2030report.de/de/bericht/317/kapitel/ii181-holzverbrauch-weniger-waere-nachhaltiger

Statistisches Bundesamt – Holzeinschlag 2019: 68 Millionen Kubikmeter
https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Wald-Holz/aktuell-holzeinschlag.html

11 Statistisches Bundesamt – Wald und Holz – Durch Schäden verursachter Holzeinschlag nach Einschlagsursache, Waldeigentumsarten
https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Wald-Holz/Tabellen/holzeinschlag-ursachen.html

12 Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, 13.10.2016: „Fichte – Brotbaum der Forstwirtschaft“
https://www.sdw.de/cms/upload/BIldarchiv/13_10_2016_Fichte_Baum_des_Jahres.pdf

13 Dürremonitor Deutschland
https://www.ufz.de/index.php?de=37937

siehe auch „Ein Lob des Landregens

14 siehe auch „Ende der Esche

15 Es gibt das „Zwei-Grad-Ziel“ (Link zu Wikipedia), das besagt, die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 soll nicht mehr als 2° Celsius betragen und es gibt eine Initiative namens „Under2MOU“ (Link zum Umweltministerium Baden-Württemberg), die das realisieren will und bei der der Staat Kalifornien und das Land Baden-Württemberg eine führende Rolle spielen.

16 ForstBW: Klimastarke Wälder für die Zukunft
https://www.forstbw.de/schuetzen-bewahren/klimawandel/klimastarke-waelder-fuer-die-zukunft/

Alternative Baumarten im Klimawandel: Artensteckbriefe
https://www.fva-bw.de/fileadmin/publikationen/sonstiges/180201steckbrief.pdf
17 National Geographic, 5.07.2019: Züricher Studie – Bäumepflanzen ist der beste Klimaschutz
https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2019/07/zuericher-studie-baeumepflanzen-ist-der-beste-klimaschutz

18 Am Ende stellt sich die Frage, wie wir überhaupt noch heizen können, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Öl und Gas gehen gar nicht mehr – aber: Auf Holz sollen wir ja nicht verzichten, sondern nur sparsamer damit umgehen. Vermutlich bleibt die Wärmepumpe und ergänzend der Kaminofen für wirklich ökologisch korrektes Heizen. Jedenfalls aus heutiger Sicht.


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